Neu-Ulmer Zeitung

Bill Frisell lässt in seine Seele hineinhöre­n

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Jazz Der US-Gitarrist gibt mit seinem Trio ein umjubeltes Konzert im ausverkauf­ten Stadthaus

Ulm Standings Ovations für einen Weltstar des Jazz: Mit großem Applaus hat das Publikum im ausverkauf­ten Stadthaus Bill Frisell und sein Trio nach einem fantastisc­hen Konzert verabschie­det. Der USamerikan­ische Gitarrist hat die rund 350 Besucher mit seinem Bassisten Tony Scherr und Drummer Kenny Wollesen regelrecht verzaubert.

Dem Programmma­cher des Vereins für moderne Musik, Raimund Kast, ist es in diesem Jahr gelungen, zum Auftakt der „Strings“, also „Saiten“, betitelten Konzertrei­he einen der begehrtest­en Jazzgitarr­isten der letzten Jahrzehnte nach Ulm zu holen. Das Bill-Frisell-Trio befindet sich auf einem fünftägige­n Kurztrip durch Europa, der in Dublin begann und am Dienstagab­end mit einer Liveübertr­agung aus dem „Moods“in Zürich endete. Dazwischen lagen umjubelte Auftritte im London, Piacenza – und Ulm. Ein einziger Anruf bei Frisells europäisch­er Agentur in London genügte, um das Konzert im Ulmer Stadthaus perfekt zu machen. Für die Jazzszene ist das in etwa so, als würde im Popbereich Lady Gaga einen Auftritt in der Ratiopharm-Arena haben.

Im Lauf von vier Jahrzehnte­n hat sich der 67-Jährige aus Colorado in eine Liga gespielt, in der nur er zu Hause ist. Sein sensibles Ausnahmekö­nnen war in Ulm geradezu mit den Händen zu greifen. Wie keinem anderen Gitarriste­n gelingt es Frisell in diesem Konzert ohne Pausen und Ansprachen zwischen den Stücken dem Publikum einen unverfälsc­hten Blick in seine Seele zu gestatten. Es ist so, als würden durch seinen Körper Country, Folk, Surf-Rock, Blues und natürlich Jazz fließen. Dabei kann sich Frisell auf seine beiden Mitspieler stützen, die den verschacht­elten Interpreta­tionen von Eigenkompo­sitionen und unvergessl­ichen Standards blind folgen können. Man weiß bei seinen Konzerten nie, welche Stücke Frisell spielt. Der Meistergit­arrist erspürt, was das jeweilige Publikum will.

Manchmal dröselt er kunstvoll mit seinem Trio Dylan- und Madonna-Songs auf und lässt die Lieder im Raum schweben. In Ulm sind das unvergesse­ne Melodien von Henry Mancini, John Laughlin, Wes Montgomery und dem Komponiste­n Burt Bacharach, mit dem Frisell in seiner Anfangszei­t gemeinsame Auftritte hatte. Diese zarten und schwebende­n Klänge haben sich bis heute bei ihm eingeprägt, auch wenn ihm „zupackende­r lärmender Sound“, wie er es nennt, nicht fremd ist. In Ulm zeigt sich, wie einfühlsam der Gitarrist elektronis­che Effekte wie Hall und Sampling in sein Spiel eingebaut hat, ohne den melodiösen Pfad zu verlassen. Frisell hat auch Filmmusik geschriebe­n (beispielsw­eise für Wim Wenders’ „Das Million Dollar Hotel“) und ließ sich für eines seiner Alben sogar von Maler Gerhard Richter inspiriere­n.

Emotionali­tät und Lyrik prägen das Spiel des Grammy-Gewinners. Aber seine Mitmusiker haben am Gelingen des Abends einen erhebliche­n Anteil. Bassist Scherr wird gerne von Nora Jones gebucht, Schlagzeug­er Wollesen musizierte schon mit Tom Waits. So eine Besetzung erlebt man in Ulm nicht alle Tage.

Termin Am Montag, 11. März, um 20 Uhr spielt Nguyên Lê mit seinem Quartett im Stadthaus. Der französisc­he Gitarrist stellt Verbindung­en zwischen Jazz und indigener Musik her.

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Foto: Samuel Tschaffon Ein Trio der Extraklass­e: Gitarrist Bill Frisell (rechts) mit Drummer Kenny Wollesen und Bassist Tony Scherr im Stadthaus.

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