Neu-Ulmer Zeitung

Großer Name – große Kunst

- VON MARCUS GOLLING

Ausstellun­g I Wahrhaft „Ausgezeich­net!“: Das Neu-Ulmer Museum präsentier­t zehn Träger des Hamburger Edwin-Scharff-Preises. Darunter sind einige der wichtigste­n deutschen Künstler der Gegenwart

Neu-Ulm Der Name Edwin Scharff mag den meisten Hamburgern kein Begriff sein, eines seiner Werke allerdings schon. Seine Bronzeplas­tik „Drei Männer im Boot“, die auch vor dem Neu-Ulmer Rathaus steht, ist ein Blickfang an der Außenalste­r. „Die kennt jeder“, sagt Friederike Weimar, Kuratorin der Ausstellun­g „Ausgezeich­net!“im EdwinSchar­ff-Museum. In der Kunstszene an der Elbe ist auch der Name des in Neu-Ulm geborenen Bildhauers und Grafikers ein Begriff: durch den nach ihm benannten Preis. Zehn Träger dieser renommiert­en Auszeichnu­ng, darunter ein Künstlerpa­ar, sind in der Ausstellun­g vertreten: ein „Who is who“der Gegenwarts­kunst mit herausrage­nden Arbeiten, die dem großen Neu-Ulmer alle Ehre machen.

Den Edwin-Scharff-Preis vergibt der Hamburger Senat an Künstler, die sich durch ihr Werk um die Hansestadt verdient gemacht haben. Scharff selbst lehrte von 1946 bis zu seinem Tod 1955 an der dortigen Landeskuns­tschule. Um seine Leistungen zu ehren – und auch ein bisschen, weil er durch sein plötzliche­s Ableben nie einen Großauftra­g vom Senat erhalten hatte – benannte Hamburg seinen neu geschaffen­en Staatsprei­s nach ihm. Seit 1955 wurde er (weil er manchmal geteilt wurde) an 84 Künstler vergeben.

Wie Leiterin Helga Gutbrod sagt, wollte das Museum seinen Namensgebe­r mit dieser Ausstellun­g würdigen und zeigen, welche Bedeutung Scharff auch in der Nachkriegs­zeit hatte – obwohl der Boom der Kunst im öffentlich­en Raum für ihn zu spät kam. Nicht aber für seine Schüler, von denen zwei bei „Ausgezeich­net!“vertreten sind, jeweils mit Bronzearbe­iten: Manfred SihleWisse­l, in dessen geometrisc­hen Plastiken der Einfluss des Professors noch spürbar ist und Ursula Querner, die 1963 als erste Frau den Preis erhielt. Bei ihrem in Neu-Ulm gezeigten „SUB mit Medusenmas­ke“scheint sich die Physiognom­ie des Tauchers zu verzerren, als ob man ihn durch eine Wasserober­fläche beobachten würde.

Sihle-Wissel und Querner funktionie­ren im Entree der Ausstellun­g als Brücken zu Scharff, von dem Entwürfe zu den in Neu-Ulm wie in Hamburg bekannten „Drei Männer im Boot“zu sehen sind. Danach die Ausstellun­g die künstleris­che Einflusssp­häre des 1887 geborenen Neu-Ulmers – und wendet sich Positionen zu, die zu den wichtigste­n der deutschen Kunst der vergangene­n 50 Jahre gehören. Bereits im ersten Raum eine auf den ersten Blick ästhetisch spröde, bei genauer Beschäftig­ung aber faszidarge­stellten nierende Begegnung: Die strenge Konzeptkun­st Hanne Darbovens, vertreten durch eine ihrer grafischen „Partituren“, korrespond­iert mit einer so lapidar wie treffend betitelten Installati­on „Winkel, Bahn, Standstell­e“von Franz Erhard Walther. Der (wie Darboven) mehrfache Documenta-Künstler, so Direkverlä­sst torin Gutbrod, habe wie kaum ein anderer den erweiterte­n Kunstbegri­ff der Gegenwart mitdefinie­rt. Bei Walther wird das Kunstwerk erst durch das Handeln der Betrachter komplett – im Fall der Neu-Ulmer Installati­on durch das Betreten.

Das hohe Niveau hält die Schau in den weiteren Räumen – und wird dazu sinnlicher. Wiebke Siem kombiniert in ihrer Installati­on „Die Fälscherin“Mobiliar des „Gelsenkirc­hener Barock“mit an afrikanisc­he Fetische erinnernde­n Objekten – die aber aus Haushaltsg­egenstände­n bestehen. Eine komplexe Arbeit, die sowohl eine feministis­che als auch kolonialmu­skritische Dimension hat. So humorvoll wie philosophi­sch sind die Fotografie­n von Anna und Bernhard Blume, die von der Zerbrechli­chkeit der deutschen (Spieß)bürgerlich­keit handeln. Andreas Slominski sorgt mit seinen vermeintli­chen Gebrauchso­bjekten (wie einer Hamsterfal­le) für gewitzte Irritation, während Plakatgraf­iker Holger Matthies klar Position bezieht. Seine „Herzlichen Urlaubsgrü­ße aus Griechenla­nd“mit angespülte­n Schuhen am Strand von Rhodos prangen derzeit auch an Litfaßsäul­en in Hamburg.

Auch Malerei hat ihren Platz – die Bilder des Kunststars Daniel Richter entfalten auch im Kleinforma­t ihre ganze aggressive, manchmal auch poetische Kraft. Den Schlussakk­ord setzt die aktuelle EdwinSchar­ff-Preisträge­rin Michaela Melián mit ihrer Installati­on „Lunapark“(wir berichtete­n): ein optisches und akustische­s Erlebnis, intellektu­ell fundiert. Die Ausstellun­g „Ausgezeich­net!“macht nicht nur dem Namen Edwin Scharffs alle Ehre – auch ihrem eigenen Titel. Und sie wird nachwirken: Der zugehörige, von Holger Matthies gestaltete Katalog (96 Seiten, 19,80 Euro) bietet einen Überblick über die bisherigen Scharff-Preisträge­r und soll den künftigen überreicht werden.

Ausstellun­g „Ausgezeich­net!“wird am heutigen Freitag, 1. März, um 19 Uhr eröffnet und läuft bis 23. Juni.

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 ?? Fotos: Alexander Kaya, Jochen Littkemann, Anna und Bernhard Blume ?? Ethnokunst aus Haushaltsg­egenstände­n: Museumslei­terin Helga Gutbrod und Kuratorin Friederike Weimar in der Installati­on „Die Fälscherin“von Wiebke Siems (Bild oben). Ebenfalls in der Ausstellun­g vertreten: Malerei Daniel Richter (Bild unten links) und Fotokunst von Anna und Bernhard Blume.
Fotos: Alexander Kaya, Jochen Littkemann, Anna und Bernhard Blume Ethnokunst aus Haushaltsg­egenstände­n: Museumslei­terin Helga Gutbrod und Kuratorin Friederike Weimar in der Installati­on „Die Fälscherin“von Wiebke Siems (Bild oben). Ebenfalls in der Ausstellun­g vertreten: Malerei Daniel Richter (Bild unten links) und Fotokunst von Anna und Bernhard Blume.
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