Patientin wehrt sich gegen Fixierung
Gericht Eine 32-Jährige hat im Bezirkskrankenhaus Günzburg Polizisten angespuckt und beleidigt. Jetzt steht sie vor Gericht
Günzburg Ziemlich turbulent ging es Anfang Juli vergangenen Jahres im Günzburger Bezirkskrankenhaus (BKH) zu: Als eine Patientin fixiert werden sollte, rastete die alkoholisierte 32-Jährige komplett aus. Ein Polizist und seine Kollegin, bei der Zwangsfesselung als Unterstützung eingesetzt, bekamen die ungezügelte Aggressivität der Frau zu spüren. Wegen Beleidigung und Körperverletzung musste sie sich vor dem Amtsgericht verantworten und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.
„Das Anspucken eines Menschen als Beleidigung ist ganz schlimm“, kommentierte Walter Henle sein Urteil. Zumal unklar war, ob der betroffene Beamte nicht der Gefahr des Ansteckens ausgesetzt war, so der Richter. Das wirkte sich strafverschärfend aus. Wie war es zu der Attacke der Frau aus dem Nachbarlandkreis Dillingen gekommen? Die Angeklagte war Patientin im Bezirkskrankenhaus. Von einem Ausgang kehrte die 32-Jährige alkoholisiert zurück. Weil sie sich dem Pflegepersonal gegenüber aggressiv verhielt, sollte sie fixiert werden. Das wollte die Frau aber nicht. Zur Unterstützung wurde eine Streife der Günzburger Polizei angefordert. Die Angeklagte wollte noch eine Zigarette rauchen, sagte der eingesetzte Beamte als Zeuge, was der Frau gewährt wurde.
Als sie zurückkam, wollte sie offenbar mit ihrem Smartphone ihre Verwandten verständigen, wurde von der Kollegin des Beamten aufgefordert, das Telefon wegzulegen. Dem kam die Patientin nicht nach, deshalb wurde „unmittelbarer Zwang“angewendet. „Es gab eine ziemlich heftige Gegenwehr“, so der Polizist, als die kräftige Frau zu Boden gedrückt wurde. Dann spuckte sie den Beamten an und beleidigte beide mit üblen Ausdrücken. „Das Spucken war äußerst unangenehm“, sagte der Polizist. Es habe ein Ekelgefühl ausgelöst und er habe Angst vor einer Infektion gehabt. Entsprechende Untersuchungen hatten allerdings ein negatives Ergebnis. Der Kollegin wurde bei der zwangsweisen Fixierung noch ein Finger umgedreht – mit schmerzhaften Folgen.
„Ich hab’ gar nichts mitgekriegt“, sagte die Angeklagte auf Frage von Richter Henle, ob die Vorwürfe stimmten. Dann stritt sie den Widerstand ab, der Beamte habe alles umgedreht, sie könne sich aber eigentlich nicht mehr erinnern. Dagegen bestätigte sie eine zweite Attacke gegen eine Krankenpflegerin im BKH knapp zwei Monate später. Wegen einer lauten Mitpatientin im Zimmer der Angeklagten war es zum Streit gekommen. Das hatte die 26-jährige Schwester mitbekommen und wollte schlichten, wie sie als Zeugin aussagte. Da habe ihr die Patientin eine Ohrfeige verpasst, die eine Woche Schmerzen zur Folge hatte. „Ich habe mich aber gleich dafür entschuldigt“, sagte die Angeklagte in der Verhandlung, was die Zeugin bestätigte.
In ihrem Gutachten stellte eine Ärztin bei der Angeklagten einen unterdurchschnittlichen Intelligenzgrad fest und erhebliche Entwicklungsdefizite. Bei der 32-jährigen läge eine Borderline-Störung vor, was einige Selbstverletzungen durch tiefe Schnitte in den Armen bestätigten. Schädlich wirke sich bei der Frau zudem Alkoholkonsum aus. Zwar wisse die Frau, dass sie nicht schlagen dürfe, habe also eine gewisse Einsichtsfähigkeit, doch sei die Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. „Wie soll es jetzt weitergehen“, fragte Rechtsanwältin Ariane Häge (Günzburg) als Verteidigerin der Angeklagten. Eine Bekannte der Mandantin strebe für diese eine vollstationäre Betreuung in einer Pflegeeinrichtung an, sagte die Sachverständige.
Wegen der verminderten Steuerungsfähigkeit komme es zu einer Verschiebung des Strafrahmens, begründete die Staatsanwältin ihren Antrag auf Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu 15 Euro. Die Anwältin hielt angesichts der möglichen Rückfälligkeit ihrer Mandantin eine Unterbringung mit Therapie in einer geschlossenen Anstalt für sinnvoll. Diese Sanktion sehe das Strafrecht nicht vor, machte Richter Henle deutlich, denn bei einer minderschweren Straftat gebe es keinen Freiheitsentzug.
Wegen tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Körperverletzung und Beleidigung verhängte er 1000 Euro Geldstrafe. Das Teilgeständnis der Angeklagten und das Gutachten der Sachverständigen wirkten sich strafmildernd aus. Doch mit Strafen allein würde sich bei der Frau nichts verändern, meinte Henle und empfahl „eine dauerhafte Unterbringung in einer geschützten Einrichtung wäre sinnvoll“.