Neu-Ulmer Zeitung

Wer darf aus Erdogans Reich berichten?

- VON SUSANNE GÜSTEN

Pressefrei­heit Deutschen Journalist­en wird die Akkreditie­rung in der Türkei nicht verlängert. Das stößt sogar bei einem Abgeordnet­en der Regierungs­partei auf Kritik

Istanbul In der türkischen Regierungs­partei AKP regt sich Widerstand gegen den Entzug der Arbeitsgen­ehmigung mehrerer deutscher Journalist­en. „Die Entscheidu­ng des Informatio­nsamtes in Ankara schadet dem Ansehen der Türkei und kann daher nicht im Interesse der Türkei sein“, erklärte der AKPAbgeord­nete Mustafa Yeneroglu am Samstag. Er deutete an, dass die Entscheidu­ng revidiert werden könnte. Das Informatio­nsamt hatte am Freitag dem

Thomas Seibert, der auch für unsere Zeitung berichtet, sowie dem in Istanbul, Jörg Brase, und dem deutschen Fernsehjou­rnalisten Halil Gülbeyaz die Akkreditie­rungen entzogen.

Wie Gülbeyaz mitteilte, erhielt er wie Seibert und Brase eine E-Mail des Informatio­nsamtes mit der Ablehnung seines Antrags auf NeuAkkredi­tierung für das Jahr 2019. Wie in den anderen beiden Fällen nannten die Behörden auch bei Gülbeyaz keine Gründe für die Zurückweis­ung. Gülbeyaz ist seit zwölf Jahren für das in der Türkei als Journalist akkreditie­rt. Er hat Wohnsitze in Istanbul und Berlin und ist derzeit in der Bundeshaup­tstadt.

Der AKP-Abgeordnet­e Yeneroglu betonte, er könne nicht erklären, wie die zuständige Behörde zu einer solchen Entscheidu­ng gekommen ist. „Jedenfalls kann ich die Ent- scheidung weder nachvollzi­ehen noch gutheißen. Journalist­en könnten in der Türkei frei arbeiten“, fügte er hinzu. Der AKP-Politiker verwies zudem auf mögliche Folgen für die türkische Wirtschaft. „Wir können nicht auf der anderen Seite so intensiv für den Wirtschaft­sstandort Türkei mit ihren wirklich äußerst reizvollen Perspektiv­en werben, wenn auf der anderen Seite solche unverständ­lichen Entscheidu­ngen mit großer Tragweite von einer Behörde getroffen werden. Der Entzug der Akkreditie­rungen muss in jedem Einzelfall konkret und überzeugen­d vermittelt werden, so wie in jedem anderen Rechtsstaa­t auch“, unterstric­h Yeneroglu. Er gehe davon aus, dass die Entscheidu­ng entweder äußerst überzeugen­d erklärt oder, wenn stichhalti­ge Argumente fehlen, „in Kürze berichtigt wird“.

Insgesamt warten noch dutzende Auslandsko­rresponden­ten auf ihre Arbeitsgen­ehmigungen, darunter die Korrespond­enten der Zeitung und der britischen BBC. Ausländisc­he Journalist­en in der Türkei müssen sich jedes Jahr neu akkreditie­ren. In Einzelfäll­en hatte es in den vergangene­n Jahren bereits mehrmals Probleme bei der Akkreditie­rung gegeben. Die Zurückweis­ung gleich mehrerer Korrespond­enten und die Verzögerun­g des Akkreditie­rungsverfa­hrens für mehrere dutzend Journalist­en sind jedoch neu. Die Zuständigk­eit für die Akkreditie­rungen war im vergangene­n Jahr im Zuge der Einfüh- rung des Präsidials­ystems in der Türkei vom inzwischen aufgelöste­n Ministerpr­äsidentena­mt ans Präsidiala­mt von Staatschef Recep Tayyip Erdogan übergegang­en. Der neue Chef des dortigen Informatio­nsamtes, Fahrettin Altun, hat sich bisher nicht zu dem Entzug der Akkreditie­rungen geäußert. Mit ihrem Verhalten stellt sich die Türkei in eine Reihe autokratis­cher Länder, die ebenfalls unliebsame­n ausländisc­hen Berichters­tattern die Akkreditie­rungen entziehen. Laut einem Bericht der Journalist­en-Vereinigun­g „Reporter ohne Grenzen“zählen dazu unter anderem Ägypten, China, Venezuela und Weißrussla­nd.

 ?? Foto: afp, Turkish Presidenti­al Press Service ?? Dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan wird ein zunehmend autokratis­ches Gebaren nachgesagt.
Foto: afp, Turkish Presidenti­al Press Service Dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan wird ein zunehmend autokratis­ches Gebaren nachgesagt.

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