Neu-Ulmer Zeitung

Warum fiel die fehlende Patrone nicht auf?

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Drama Nachdem ein Polizeisch­üler seinen Kameraden und alten Schulfreun­d erschossen hat, kommen Details ans Licht. Und es tauchen Fragen auf. Ob es etwa bei der Dienstaufs­icht Fehler gab

Würzburg Zwei Tage nach dem Tod eines Polizeisch­ülers in Würzburg liegt der Verdacht nahe: Es lag wohl nicht am neuen Pistolenmo­dell, sondern an mangelnder Dienstaufs­icht und Leichtsinn.

Bekannt wurde auch: Der 19-jährige Schütze und sein Kollege teilten sich aus gutem Grund eine Stube bei der III. Abteilung der Würzburger Bereitscha­ftspolizei: Beide kannten sich nicht erst seit der Ausbildung. Sie stammen aus Nachbargem­einden im Raum Schweinfur­t, gingen zusammen zur Schule. Sie waren seit Jahren befreundet.

Speziell für Tötungsdel­ikte geschulte Ermittler prüfen inzwischen zusammen mit Rechtsmedi­zinern besonders sorgfältig alle Umstände des Vorganges: Schussentf­ernung, Auffindesi­tuation, Lage der Hülse, Angaben des Schützen. Die Arbeit erfordere ihre Zeit, sagt ein solcher Spezialist, der natürlich weiß: Es gibt in solchen Fällen immer aufkeimend­e Gerüchte. „Lasst die in Ruhe ihre Arbeit machen“, appelliert­e ein anderer hochrangig­er Beamter mit jahrzehnte­langer Erfahrung. „Alles andere belastet nur zusätzlich die Angehörige­n. Die haben schon genug zu ertragen.“

Wie sich inzwischen zeigt, hatten der 19-jährige Schütze und sein Stubenkame­rad (beide im zweiten Ausbildung­sjahr) offenbar vor dem Vorfall bereits Wache in der Kaserne geschoben. Danach wurden die Pistolen entladen. Doch eine Patrone verblieb unbemerkt im Lauf der Pistole des Schützen. „Dass man den Verschluss noch mal zurückzieh­en muss, damit die Patrone, die schon im Lauf ist, ausgeworfe­n wird da hat sich mit der neuen Pistole nichts geändert“, betont Innenminis­ter Joachim Herrmann. Nach Ende der Wache hatten die beiden Polizeisch­üler die Magazine abgegeben. Doch offenbar wurden sie nicht mehr kontrollie­rt. Niemandem fiel auf, dass eine Patrone fehlte.

Das Opfer soll an einem Kopfschuss gestorben sein – ob direkt oder durch einen Querschläg­er, ist noch Gegenstand von Untersuchu­ngen. Völlig unbeabsich­tigt könne sich der Schuss nicht lösen. „Es muss jemand den Abzug der Waffe betätigt haben“, sagt Innenminis­ter Herrmann. „Die entmunitio­nierte Waffe darf mit auf die Stube genommen werden. Aber es darf keine Munition dabei sein.“

Peter Schall, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) sagt: „Der Dienstführ­er hätte bemerken müssen, dass eine Patrone zu wenig zurückgege­ben wurde“– und im Lauf steckt. Doch auch der Schütze trug seinen Beitrag zu dem Unfall bei. „Ständige Sensibilis­ierung der Auszubilde­nden beim Umgang mit Waffen sind Kernthemen“, sagt Herbert Gröschel, Pressespre­cher im Präsidium der Bereitscha­ftspolizei in Bamberg. Einer der Leitsätze laute: „Jede Schusswaff­e ist stets als geladen zu behandeln.“

In der Waffen- und Schießausb­ildung werde den Beamten in der Ausbildung in knapp 250 Unterricht­seinheiten der profession­elle Umgang mit Dienstpist­ole und Ma– schinenpis­tole vermittelt. Dies umfasst neben theoretisc­her Waffenausb­ildung einen hohen Anteil an praktische­r Schießausb­ildung mit steigendem Schwierigk­eitsgrad. Während der 30-monatigen Ausbildung muss jeder Auszubilde­nde mindestens 1200 Schuss mit der Dienstpist­ole abgeben. Im ersten Halbjahr der Polizeiaus­bildung müssen die Auszubilde­nden eine Sachkundep­rüfung für Schusswaff­en bestehen. Dazu finden bereits sogenannte Trockentra­inings ohne Munition statt. Zudem ist in diesem Abschnitt der Nachweis „Sicherer Umgang mit der Dienstpist­ole“zu erbringen. Hierbei geht es um die sichere Handhabung der Waffe in Verbindung mit den ersten Schussabga­ben unter der Anleitung von Schießausb­ildern. Im zweiten Ausbildung­sabschnitt gilt es, zahlreiche Kontrollüb­ungen mit der Dienstpist­ole im Schießstan­d zu erfüllen. Damit wird die Befähigung des „einsatzmäß­igen Schießens“erbracht.

Erst nach Erfüllung bestimmter Kriterien in Theorie und Praxis gibt es die Erlaubnis zum Führen der Dienstwaff­e, betont Gröschel. Ab diesem Zeitpunkt wird die Dienstpist­ole, ohne Munition, ausgehändi­gt und muss vom Waffenträg­er sicher in seinem Stahlfach verwahrt werden. Sobald die sichere Waffenhand­habung gewährleis­tet ist, können Beamtinnen und Beamte im Wachdienst eingesetzt werden.

Im aktuellen Fall hat die Staatsanwa­ltschaft Würzburg die Ermittlung­en zur Ursache übernommen. Dabei wird auch intensiv geprüft, inwieweit die Handhabung der Dienstwaff­e im kausalen Zusammenha­ng mit der Schussabga­be steht.

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Foto: Nicolas Armer, dpa In der Mainau-Kaserne ist eine Abteilung der Bayerische­n Bereitscha­ftspolizei untergebra­cht. Dort geschah am Donnerstag das Unglück.

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