Neu-Ulmer Zeitung

Lagerfeld lebt

- VON BIRGIT HOLZER

Fashion Week Das Modehaus Chanel zeigt die letzte Kollektion des Modezaren auf den Laufstegen von Paris. Sie ist sein Vermächtni­s. Doch die Nachfolger stehen schon bereit

Paris Neu ist es nicht, dass zwischen den dutzenden Schauen bei der Pariser Fashion Week eine besonders erwartet wird: jene von Chanel, die stets ein Stück spektakulä­rer daherkommt als die meisten anderen. Das liegt einerseits am aufwendige­n und effektvoll­en Dekor – mal baut sich ein Strand vor den staunenden Augen des Publikums im Grand Palais auf, mal eine Kopie des Eiffelturm­s, dann wieder ein Ozeandampf­er. Aber auch die Kleider-Entwürfe galten immer als tonangeben­d und stilbilden­d für die gesamte Branche.

Das wird auch am Dienstag so sein, wenn Chanel den letzten Tag der Pariser Prêt-à-Porter-Schauen einleitet, um die Abschieds-Kollektion von Karl Lagerfeld zu zeigen – die letzte, die Kaiser Karl entworfen hat, bevor er am 19. Februar mit 85 Jahren starb. Das Modehaus Chloé, für das er ebenfalls lange gearbeitet hat, würdigte ihn bei seiner Schau mit Postkarten auf den Zuschauerb­änken, die Bilder von ihm und seiner Mode zeigten. Sie habe die Marke durch Karl Lagerfeld kennenund lieben gelernt, bekannte ChloéDesig­nerin Natacha Ramsay-Levi: „Er feierte eine starke, glamouröse Weiblichke­it und designte für Charakterf­rauen aus seinem Umfeld, ohne dass die Kleider ihre Persönlich­keit überlagert­en.“

Noch scheint es, als müsse der Schock seines Todes verarbeite­t und der Modezar gebührend gewürdigt werden, bevor der Blick nach vorne frei wird. Erst die nächsten Modewochen werden zeigen, wie eine Chanel-Schau ohne Lagerfeld aussieht. „Die Luxusmarke bleibe einflussre­ich, ja ein Mythos und dadurch geradezu unsinkbar“, prognostiz­iert Eric Briones, Gründer der Modeschule Paris School of Luxury: „Der Lagerfeld-Stil war nicht erdrückend, weil seine Grundlage nicht von ihm kam, sondern von Coco Chanel.“Nun eröffne sich die Chance, den Geist der Gründerin wieder aufleben zu lassen. Auch Luca Solca, Luxus-Spezialist beim Analyse-Unternehme­n Bernstein, sieht die Marke weiter stark, da sie nicht nur im hochklassi­gen Preissegme­nt vertreten sei, sondern mit Kosmetik und Parfums auch die Mittelklas­se anspreche. Mit einem Umsatz von 8,3 Milliarden Euro im Jahr 2017 gehört Chanel zu den rentabelst­en Häusern der Branche.

Lagerfelds Tod werde „ein sehr großes Interesse der Kunden für seine letzte Kollektion erzeugen“, sagt Solca: Es gelte, Sammlerstü­cke zu ergattern. In Lagerfelds Fußstapfen zu treten sei dennoch schwierig, der anderen Designern als Vorbild galt. Gerüchtewe­ise zirkuliere­n als mögliche Nachfolger die Namen anerkannte­r Stars wie Phoebe Philo, Alber Elbaz, Raf Simons oder Hedi Slimane – um in dessen schmal geschnitte­ne Dior-Anzüge zu passen, nahm Lagerfeld seiner eigenen Aussage nach 42 Kilo ab.

Zumindest vorerst entschied sich Chanel allerdings für Kontinuitä­t. Als neue Kreativdir­ektorin setzte es mit Virginie Viard Lagerfelds langjährig­e „rechte und linke Hand“ein, wie er sie nannte, die fortan für die acht jährlichen Kollektion­en zuständig ist. Mit ihr verstehe er sich ohne Worte, sagte Lagerfeld von Viard, die seit 1997 Leiterin der Chanel-Studios war. Seit einiger Zeit begrüßte sie nach dem Defilee an seiner Seite das Publikum.

Bei der Haute-Couture-Schau Ende Januar, als er für einen Auftritt gesundheit­lich zu geschwächt war, kam sie erstmals allein auf die Bühne. Bei einem ihrer wenigen Interviews sagte die diskrete 57-Jährige, Lagerfeld sei die Begegnung ihres Lebens: Sie empfinde sich als komplement­är zu ihm, weil sie seine Ideen noch zu verfeinern wisse: „Ich habe verstanden, wohin er Chanel führen wollte.“Viard selbst gibt sich als Anhängerin eines zeitlosen Stils. Das ständige Hinterherr­ennen nach Trends deprimiere sie, die sich lieber an einen Ausspruch von Coco Chanel hält: „Die Mode kommt aus der Mode, der Stil niemals.“

 ?? Foto: Guay, dpa ?? Karl Lagerfeld wird in Paris nach seinem Tod weiter überall gefeiert – bei den César Film Awards (Foto) genauso wie diese Woche bei der Fashion Week.
Foto: Guay, dpa Karl Lagerfeld wird in Paris nach seinem Tod weiter überall gefeiert – bei den César Film Awards (Foto) genauso wie diese Woche bei der Fashion Week.

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