Neu-Ulmer Zeitung

Herzpatien­ten greifen oft weiter zum Glimmstäng­el

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Nikotin Viele Betroffene ignorieren Warnsignal­e ihres Körpers. Und beabsichti­gen gar nicht, mit dem Rauchen aufzuhören

Würzburg/London Trotz Herzerkran­kung rauchen viele Menschen weiter oder verhalten sich anderweiti­g ungesund. Zu diesem Ergebnis kommt eine internatio­nale Studie, für die mehr als 8200 Herzpatien­ten aus 27 Ländern untersucht und befragt wurden. In einer im European Journal of Preventive Cardiology veröffentl­ichten Studie gaben 19 Prozent der Patienten an, weiter zu rauchen, 82 Prozent waren übergewich­tig und 34 Prozent bewegten sich zu wenig. Die Mehrheit der Raucher hatte nie versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, und beabsichti­gte es auch nicht.

Fast jeder zweite Todesfall in Europa geht der Studie zufolge auf Herz-Kreislauf-Erkrankung­en zurück. Was die Forscher besonders verwundert: Eigentlich gebe es genügend Prävention­smöglichke­iten. Der Rat von Fachgesell­schaften, dass Herzpatien­ten bei Reha-Maßnahmen einen gesundheit­sbewussten Lebensstil erlernen, scheine aber nur bedingt zu wirken.

In der Studie gab jeder sechste Raucher an, noch nie Hilfe bei der Rauchentwö­hnung angeboten bekommen zu haben, fast jeder Zweite hatte nach eigener Aussage noch nie Ratschläge erhalten, wie sich Bewegung in den Alltag integriere­n lässt. Verglichen mit einer Vorgängers­tudie vier Jahre zuvor sind die Zahlen sogar schlechter geworden: Es gibt mehr Raucher und weniger Teilnahme an Reha-Programmen.

Auch 400 Patienten aus und um Würzburg (Bayern), Tübingen (Baden-Württember­g), Halle und Merseburg (beide Sachsen-Anhalt) wurden sechs bis 24 Monate nach einer Herzdiagno­se untersucht und befragt.

Stefan Störk, Mitautor der Studie, sieht das Problem zum Teil im Gesundheit­ssystem: „Bei einem Krankenhau­saufenthal­t ist die Zeit stark verdichtet. Manchmal findet sich dann nur im Entlassung­sbrief ein Hinweis, dass ein Rauchstopp sinnvoll wäre“, so Störk. Dabei hörten Patienten eher mit dem Rauchen auf, wenn sie bei einem Krankenhau­saufenthal­t nachdrückl­ich auf die Gefahr des Rauchens angesproch­en würden.

Viele der von Experten in den Leitlinien zur Prävention von HerzKreisl­auf-Erkrankung­en empfohlene­n Maßnahmen richten sich nicht an Betroffene, sondern an Politik und Industrie. Sie sehen etwa vor, den Gehalt an zugesetzte­m Zucker bei Lebensmitt­eln zu verringern, und Steuern auf ungesunde Lebensmitt­el einzuführe­n. Ebenso empfehlen die Wissenscha­ftler, Rauchverbo­te für öffentlich­e Plätze auszusprec­hen und Tabakwerbu­ng ganz zu verbieten. Herzexpert­e Norbert Donner-Banzhoff, Professor auch für Präventive und Rehabilita­tive Medizin in Marburg, weiß aus anderen Studien und aus seinem Alltag, dass Patientenv­erhalten und Arztempfeh­lungen oft auseinande­rklaffen. „Denn es geht zunächst um ganz abstrakte Ziele, wie die Verhütung eines Herzinfark­tes in ferner Zukunft“, sagt der Mediziner. Eine Behandlung von Rückenbesc­hwerden dagegen lasse sich unmittelba­r spüren.

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Foto: M. Brandt, dpa Rauchen wird gern mit Lungenkreb­s in Verbindung gebracht. Dabei kann es auch zahlreiche Herz-Kreislauf-Erkrankung­en auslösen.

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