Der Seemann aus den Bergen
Porträt Der Kreuzfahrtdirektor der „Star Clipper“kommt aus Oberstdorf. Peter Krissner fühlt sich auf hoher See ebenso zu Hause wie in den hohen Bergen
büro hatten. So konnte er eine Schiffsreise begleiten. Das gefiel ihm so gut, dass er auf einem Kreuzfahrtschiff anheuerte. „Eigentlich wollte ich nur ein paar Monate bleiben“, erzählt er, „jetzt bin ich immer noch dabei.“
Begonnen hat all dies 1983. Krissner war Ausflugs- und Hotelmanager, auch Dozent, er arbeitete für Hapag Lloyd, African Safari Cruise Lines, Transocean – bis er die Star Clipper kennenlernte, einen Windjammer ganz nach seinem Geschmack, ein Schiff, auf dem man „das Meer noch spürt“.
Diese Vorliebe teilt der Allgäuer mit dem schwedischen Reeder Mikael Krafft, der mit dem Nachbau von Klippern „Segelromantik, Luxus und Komfort“vereinen will. 1991 wurde der Viermaster „Star Flyer“getauft, ein Jahr später lief die baugleiche „Star Clipper“vom Stapel – beide im Vintage-Look für Segel-Nostalgiker. Krissner ging an Bord und blieb. Als Kreuzfahrtdirektor ist er seither neben dem Kapitän der beliebteste Mann an Bord. Nicht nur wegen seines umfassenden Wissens über die Seefahrt, das er leidenschaftlich gerne mit den Passagieren teilt – auf Deutsch und in seinem ganz besonderen Englisch. Der Seemann aus dem Allgäu will seine Herkunft nicht verleug- nen. Sein Haus in Oberstdorf nahe der Nebelhornbahn und der Schattenbergschanze sieht er zwar nur vier Monate im Jahr, aber er würde es niemals aufgeben.
„Das Leben auf See und das Leben im Allgäu ist so unterschiedlich wie Tag und Nacht“, meint er. „Ich kann ohne das eine nicht leben und auch nicht ohne das andere.“Und das, obwohl das Pendlerleben auf dem Schiff ziemlich einsam sein kann und er als Cruise Director rund um die Uhr in Bereitschaft sein muss. Vier Monate am Stück. Danach geht es für zwei Monate in die Heimat – oder vielleicht auch auf Reisen.
Peter ist ein unruhiger Geist. Einer, der mit offenen Augen durch die Welt reist. „Ich bin acht Monate im Jahr Ausländer“, sagt er, „und ich werde überall herzlich empfangen.“Gesehen hat er viel von dieser Welt, so viel „wie andere in fünf Leben nicht sehen“. Die Kreuzfahrt in der Andamanensee, wo die Star Clipper gerade unterwegs ist, gehört zu seinen Favoriten. „Hier geht es uns doch gut, nette Menschen, schöne Strände,“schwärmt er und blinzelt in die Sonne. In die Südsee, den Traum vieler, wollte er nie. „Zu langweilig“, winkt er ab.
In der Andamanensee sind die Schiffe der Star Clipper Reederei die einzigen, „die regelmäßig hier kommerziell unterwegs sein dürfen“. Das hat auch was mit der königlichen Familie zu tun. Die Schwester des verstorbenen Königs Bhumibol Adulyadej hat sich, so erzählt es Krissner, höchstpersönlich davon überzeugt, dass der Viermaster im Meeres-Nationalpark keinen Schaden anrichtet: „Sie war für uns der Türöffner.“Er erinnert sich, dass die Prinzessin „mit großem Gefolge und in Kriegsschiff-Begleitung“erschien „und die Star Clipper so etwas wie die königliche Yacht“wurde. Er grinst, als er sich ein kurioses Detail ins Gedächtnis ruft: Auf dem Zodiac habe man für die königliche Hoheit einen Sitz installiert, auf dem sie so erhöht thronen konnte, dass sie den stehenden Peter überragte.
Auch ohne Prinzessin brettert der Allgäuer gerne mit dem Zodiac durch die Inselwelt der Andamanensee und zeigt den Gästen der Star Flyer seine Lieblingsplätze. Dann besucht er auch die Seezigeuner, die teilweise noch in Höhlen leben oder in kleinen Dörfern, die nur per Schiff erreichbar sind. Der Seemann hat ein Herz für die Moken, die ihren nicht ganz einfachen Alltag so klaglos meistern.
Beim Ausflug ins Dorf Panyi hilft er den einheimischen Mädchen bei der Essensausgabe im Restaurant. Sie kennen den blonden Seebären schon und schäkern mit ihm. Dünkel kennt der Peter, der aus einer alteingesessenen Oberstdorfer Familie stammt, nicht. Auch wenn er auf dem Großsegler schon mit vielen interessanten und auch wohlhabenden Menschen zu tun hatte. Unter anderen hat er den alten Roger Moore kennengelernt. „Er wollte noch einmal die Insel sehen, auf der er James Bond war – im Film Der Mann mit dem goldenen Colt.“Als ihn niemand erkannt habe, sei der Schauspieler „schon etwas enttäuscht“gewesen, berichtet Peter und lacht.
Er wird noch einige Wochen auf dem Schiff bleiben, ehe es für zwei Monate wieder zurück nach Oberstdorf geht. Dann wird er beim Verlassen der Star Clipper ein paar Tränchen verdrücken. Und nach dem Heimaturlaub, den er sicher auch zum Skifahren nutzt, wird er wieder den Bergen nachtrauern. Aber das ist das Leben, das er sich ausgesucht hat: Ein Dasein zwischen zwei Welten. Gerne zitiert er den Chinesen Lin Yutang: „Ein guter Reisender ist einer, der nicht weiß, wohin er geht; ein perfekter Reisender weiß nicht, woher er kam.“Obwohl das für ihn nicht so ganz zutrifft: Peter Kissner weiß sehr wohl, woher er kommt.