Daumen hoch für diesen Lauf
Europameisterschaft Platz vier über 3000 Meter fühlt sich für die Ulmerin Alina Reh wie eine Medaille an. Neben ihr hat die deutsche Leichtathletik ein weiteres Eisen im Feuer
Glasgow/Ulm Platz vier. Der Undankbare. Angeblich. Denn schon wenige Sekunden nach dem Zieleinlauf bei der Hallen-Europameisterschaft im schottischen Glasgow hatte Alina Reh vom SSV Ulm 1846 ihr Lächeln wieder gefunden. Schließlich war diese Platzierung im mit Abstand schnellsten 3000-MeterFinale in der Geschichte dieser Titelkämpfe ein persönlicher Triumph für sie. Mit 8:39,45 Minuten steigerte die 21-Jährige ihre gerade mal zwei Wochen alte Bestmarke noch einmal um beachtliche vier Sekunden. Um die Zeit einzuordnen: Bei allen vorangegangenen Hallen-Europameisterschaften hätte Alina Rehs Richtwert mindestens zu Silber gereicht, nur einmal (2017 in Belgrad) nicht zu Gold.
Bis zum vergangenen Jahr wäre ihre Zeit sogar gleichbedeutend mit einem deutschen Rekord gewesen. Den hielt bis Februar 2018 fast 30 Jahre lang Kathrin Ullrich mit 8:41,79 Minuten. Erst Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) steigerte diesen dann zweimal. „Klar ist es immer ein wenig enttäuschend, Vierte zu werden. Auf der anderen Seite sind 8:39 Mi- eine tolle Basis für die 10000 Meter im Sommer. Einfach eine richtig gute Zeit für mich“, sagte Alina Reh nach dem bisher schnellsten 3000-Meter-Lauf ihrer Karriere.
Das Rennen um Bronze wurde auf den letzten Runden zum Duell zwischen Alina Reh und Melissa Courtney. Meter um Meter schob sich die Ulmerin an die Britin heran. Doch überholen konnte sie ihre Konkurrentin nicht mehr. Die wurde quasi von Alina Reh zu einer neuen Bestzeit von 8:38,22 Minuten getrieben. Wie bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr in Berlin über 10000 Meter blieb für die Ulmerin „nur“Platz vier. Doch bei dieser fantastischen Leistung strahlte „Blech“wie Edelmetall. Denn ganz nebenbei ließ sie so hoch dekorierte Läuferinnen wie Karoline Grovdal (Norwegen; 8:52,12 Minuten), Maureen Koster (Niederlande; 8:56,22) und Elish McColgan (Großbritannien; 8:59,71 Minuten) klar hinter sich.
Um noch einmal die Statistik zu bemühen: Alina Reh lief in Glasgow die zweiten 1500 Meter in exakt 4:13,20 Minuten. Damit war sie eine knappe halbe Sekunde schneller als bei ihrer Hallen-Bestzeit Ende Januar über 1500 Meter in Dortmund (4:13,71). Selbst im Freien ist ihr Hausrekord von 4:13,11 Minuten nur einen Wimpernschlag besser. Das zeigt, welch ein enormes Potenzial in der Läuferin Alina Reh steckt.
Zwei Läuferinnen bewiesen im Finale von Glasgow allerdings, dass sie in Europa noch ein Stück besser sind als der Rest: Konstanze Klosterhalfen verschärfte bei der Rennhälfte das Tempo, nur Titelverteidigerin und Lokalmatadorin Laura Muir, die in Glasgow ihr Studium zur Veterinärmedizinerin absolviert hat, konnte folgen. Die Britin, die rund zwei Stunden zuvor einen Vorlauf über 1500 Meter gewonnen hatte, ließ sich nicht abschütteln und auf den letzten 200 Metern hatte Klosterhalfen im Spurt keine Chance. In 8:30,61 Minuten setzte sich Laura Muir am Ende recht deutlich vor der Leverkusenerin (8:34,06) durch. Die zweite Streckenhälfte lief die Britin mehr als 20 Sekunden schneller als die erste. „Konstanze Klosterhalfen hätte nicht mehr manuten chen können. Die enorme Spurtstärke von Laura Muir machte den Unterschied“, urteilte die britische Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe, die das Rennen für die BBC kommentierte. Für Laura Muir war das Rennen vor ihrem Heimpublikum „einer der wichtigsten Siege meiner Karriere, wenn nicht sogar der wichtigste“. Die unterlegene Konstanze Klosterhalfen erkannte den Sieg ihrer Konkurrentin neidlos an: „Ich bin hierher gekommen, um zu gewinnen. Aber Laura hatte den besseren Kick auf der letzten Runde.“
Mit Konstanze Klosterhalfen und Alina Reh – mit 22 und 21 Jahren in einem noch jungen LangstreckenAlter – gibt es also in Deutschland zwei herausragende Läuferinnen, die ihre besten Jahre wahrscheinlich noch vor sich haben. Wobei sie eher zu unterschiedlichen Distanzen tendieren. Während Klosterhalfen zwischen Mittel- und Langstrecken auf der Bahn pendelt, zieht es Alina Reh auf die Straße.
Dort kann sie ihre ungemeine Tempohärte ausspielen. Dass sie dazu auch eine gehörige Portion Grundschnelligkeit mitbringt, hat sie in Glasgow eindrucksvoll bewiesen.
Bisher hätte die Zeit immer für Silber gereicht