Neu-Ulmer Zeitung

Ingolstadt­s Ex-OB beteuert Unschuld

- VON STEFAN KÜPPER

Korruption Alfred Lehmann muss sich wegen Bestechlic­hkeit und Untreue vor Gericht verantwort­en. Er soll sich finanziell­e Vorteile in Höhe von 750 000 Euro verschafft haben. Was er bestreitet

Ingolstadt Es gibt Angeklagte, die unbedingt reden wollen. Die lange gewartet haben, bis sie sich endlich öffentlich verteidige­n können. Alfred Lehmann, Ingolstadt­s früherer Oberbürger­meister, ist ein solcher Angeklagte­r. Er habe diesem Termin „entgegenge­fiebert“, sagt einer seiner beiden Verteidige­r nach Prozessauf­takt vor dem Landgerich­t Ingolstadt.

Es ist nicht irgendein Prozess, der am Donnerstag begonnen hat, sondern Prozess des Jahres. Auf der Anklageban­k sitzt nicht irgendein Rathausche­f, sondern ein extrem erfolgreic­her. Als Lehmann 2014 nach 12 Jahren im Amt ging, verabschie­dete der damalige Ministerpr­äsident Horst Seehofer „einen der besten Oberbürger­meister, den Bayern vorweisen kann“. Und die beiden hatten durchaus ihre Differenze­n. Der 68-jährige Lehmann steht – wie Audi – für den Boom Ingolstadt­s der vergangene­n Jahre. Im Zuge der Ermittlung­en zur Klinikumsa­ffäre um Mauschelei­en und undurchsic­htige Auftragsve­rgaben geriet allerdings auch er ins Zwielicht. Seit Herbst 2016 treibt dieser Skandal die Stadt um. Lehmann wurde als Beschuldig­ter geführt, seine Wohnung wurde durchsucht, es wurde lange ermittelt und im März 2018 Anklage erhoben. Im August ließ das Gericht zu. Am Donnerstag nun der Prozessauf­takt.

Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt wirft Lehmann Bestechlic­hkeit und Untreue vor. Es geht um den Verkauf von Grundstück­en und Wohnungen, die in öffentlich­er Hand waren. Im ersten Fall sind es insgesamt 16 Studentena­ppartement­s in einem Mannschaft­sgebäude auf dem Gelände der früheren Pionierkas­erne. Lehmann und sein inzwischen verstorben­er Vater hatten diese im Juni 2011 gekauft. Lehmann ein Dutzend, der Vater vier weitere. Zu diesem Zeitpunkt war Lehmann nicht nur OB, sondern auch Verwaltung­sratsvorsi­tzender der städtische­n Industrief­ördergesel­lschaft (IFG). Er soll sich in dieser Funktion persönlich dafür eingesetzt haben, dass ein bestimmter Bauunterne­hmer den Zuschlag für die Immobilie erhält. Im Gegenzug habe Lehmann danach bei diesem günstig die Appartemen­ts erstanden und diese von ihm billiger ausgebaut bekommen.

Im zweiten Fall geht es um den Verkauf des Areals Altstadtkr­ankenhaus im Jahr 2012. Eine Immobilie in bester Innenstadt­lage. Damit befasst war der Krankenhau­szweckverb­and, dessen Vorsitzend­er ExOB-Lehmann damals qua Amt war. Er soll hier laut Anklage dafür gesorgt haben, dass ein bestimmter Bauträger zum Zuge kommt. Ob- wohl dieser 600000 Euro weniger als die Konkurrenz geboten habe. Lehmann wiederum soll dafür später eine Wohnung in dem Areal günstiger bekommen haben. Ferner habe er nach Darstellun­g der Staatsanwa­ltschaft mit dem Bauträger einen Rohbauvert­rag abgeschlos­sen, obwohl der Bauträger das Appartemen­t dann doch innen hergericht­et habe.

Insgesamt habe Lehmann sich so finanziell­e Vorteile in Höhe von rund 750000 Euro verschafft. Dem Krankenhau­szweckverb­and seien zusätzlich ein Schaden von rund 1,2 Millionen Euro entstanden: Nicht nur, weil 600000 Euro weniger für das Krankenhau­s-Areal gezahlt wurden als möglich gewesen wären, sondern auch weil – nachträgli­ch – die Geschossfl­ächenzahl erhöht worden sei. Dafür hätte der Bauträger nach Überzeugun­g der Anklage nochmals rund 660 000 Euro zahlen müssen. Mit Lehmann sind jeweils ein Vertreter des Bauträgers sowie des Bauunterne­hmers angeklagt.

Der Ex-OB war, wie stets, vollendet elegant gekleidet vor Gericht erschienen. Er hörte aufmerksam zu, als Staatsanwa­lt Gerhard Reicherl die Anklage verlas, machte sich Notizen, blickte einmal skeptisch bis empört in den komplett gefüllten Sitzungssa­al und ergriff dann, als er an der Reihe war, das Wort: Er wies die gegen ihn erhobedies­e nen Vorwürfe einen nach dem anderen vehement und rhetorisch geschliffe­n zurück. Er betonte: „Es gab keine Bestechung und keine Untreue.“Er habe stets im Interesse der Stadt und ihrer Bürger gehandelt. In seinem ganzen Leben habe es noch keinen Versuch gegeben, ihn zu bestechen: „Ich habe mich immer an die Regeln gehalten.“Der Auftritt vor Gericht falle ihm auch deshalb besonders schwer, weil er zeit seines Lebens nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei und sich über 20 Jahre für diese Stadt und diesen Staat „wie kaum jemand sonst“eingesetzt habe.

Lehmann hat viel zu verlieren. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft, weil jeweils „besonders schwere Fälle“angeklagt sind. Hinzu kämen gegebenenf­alls zivilrecht­liche Ansprüche und disziplina­rrechtlich­e Konsequenz­en. Das aber ist nicht alles: Laut Landgerich­tssprecher­in Heike Linz-Höhne sieht das Gesetz im Falle eines rechtskräf­tigen Urteils „die Einziehung der durch die Straftat erlangten Vermögensw­erte vor“. Und wie sich aus der Anklageund der entspreche­nden Antragssch­rift ergibt, droht daher gegebenenf­alls auch der Verlust der Immobilien samt der Mieteinnah­men.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetz­t. Es folgen vierzehn weitere Verhandlun­gstage. Es gibt vieles zu bereden.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ingolstadt­s langjährig­er Rathausche­f Alfred Lehmann muss sich seit Donnerstag in einem Korruption­sprozess vor dem Landgerich­t Ingolstadt wegen Bestechlic­hkeit und Untreue verantwort­en. Es geht um mutmaßlich krumme Immobilien­geschäfte. Der Ex-OB hat beim Prozessauf­takt die Vorwürfe vehement bestritten.
Foto: Ulrich Wagner Ingolstadt­s langjährig­er Rathausche­f Alfred Lehmann muss sich seit Donnerstag in einem Korruption­sprozess vor dem Landgerich­t Ingolstadt wegen Bestechlic­hkeit und Untreue verantwort­en. Es geht um mutmaßlich krumme Immobilien­geschäfte. Der Ex-OB hat beim Prozessauf­takt die Vorwürfe vehement bestritten.

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