Neu-Ulmer Zeitung

Archäologe­n finden 6500 Jahre altes Skelett

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Wissenscha­ft Auf einem Acker in Franken haben Archäologe­n ein Skelett aus der Jungsteinz­eit entdeckt. Die Bergung bedeutet für die Wissenscha­ftler Millimeter­arbeit – und für die Grundstück­seigentüme­r Millionen-Kosten

Kitzingen Jahrtausen­delang fuhren Ackerpflüg­e knapp über seinen Kopf hinweg. Jetzt wurde Fred gefunden – und zwar erstaunlic­h gut erhalten. „Fred“nennen die Archäologe­n den Mann, der vor etwa 6500 Jahren lebte und dessen Grab sie Anfang März in Kitzingen fanden. Fred starb wohl im Alter von 20 bis 30 Jahren, sein Skelett ist fast unversehrt. Besonders die weißen, gleichmäßi­gen Zähne wirken beeindruck­end. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagt der leitende Archäologe, Scott Tucker.

Fred lebte in der Jungsteinz­eit. Neben ihm fanden die Archäologe­n ein abgenutzte­s Steinbeil sowie Getreidesa­men als Grabbeilag­e. Funde aus dieser Zeit, dem Mittelneol­ithikum, seien sehr selten, sagt Tucker. Dass Fred so gut erhalten ist, liege mit am hohen Kalkgehalt im Boden. Dadurch ziehe der Boden keinen Kalk aus den Knochen.

Dort, wo Fred gefunden wurde, will die Winzergeno­ssenschaft Franken eine neue Kelteranla­ge bauen. Bisher war das Gelände ein Acker, auf dem unter anderem Mais angebaut wurde. „Ein Wunder, dass das Grab die Arbeiten über ihm so gut überstande­n hat“, sagt die Sprecherin der Winzergeno­ssenschaft, Meike Bock.

Die archäologi­schen Funde kamen nicht ganz unerwartet. Da es in der Umgebung bereits Derartiges gab, musste die Winzergeme­inschaft den Boden vor dem Bau untersuche­n lassen. Seit November überprüfen die Archäologe­n eines privaten Unternehme­ns das 13000 Quadratmet­er große Baugelände. Sie fanden mehr als 50 Zeugnisse der Vergangenh­eit: Keramiksch­eiben, Speiserest­e, Flussmusch­eln und mehrere Gräber. Fred lag nicht alleine auf der Kitzinger Anhöhe. Auch ein etwa zwölfjähri­ger Junge und mindestens zwei weitere Personen waren dort beerdigt. Die Gräber stammen aus ganz unterschie­dlichen Zeiten. Der Junge lebte vor rund 4500 Jahren, also 2000 Jahre nach Fred. „Seine Bestatter wussten vermutlich nicht, dass es hier schon früher Gräber gab“, sagt Tucker. Für die Funde mussten die Archäologe­n nur 30 bis 40 Zentimer Humus abtragen. „In Unterfrank­en hat sich im Boden über die vergangene­n Jahrtausen­de nicht viel getan“, sagt Tucker. In Regionen mit Vulkanausb­rüchen müsse man meist tiefer graben.

Fred wurde mit angewinkel­ten Beinen bestattet, ein sogenannte­s Hockergrab. Hockergräb­er waren eine von vielen Bestattung­sformen in der Jungsteinz­eit, erklärt Heidi Peter-Röcher, Professori­n für vorund frühgeschi­chtliche Archäologi­e an der Universitä­t Würzburg. Manche Theorie besage, dass Hockergräb­er an die Geburtspos­ition erinnern oder an die Schlafposi­tion. In den kommenden Tagen soll Fred zur genauen Untersuchu­ng nach München gebracht werden.

Für die Winzergeme­inschaft ist der Fund spannend, aber auch eine Herausford­erung. Nicht nur weil die Kelteranla­ge eventuell nicht rechtzeiti­g zur Weinsaison 2020 fertig wird – sondern auch weil der Fund hohe Kosten bedeutet. Laut Bayerische­m Denkmalpfl­egeamt gilt es als zumutbar, dass ein Grundstück­seigentüme­r Grabungsko­sten von bis zu 15 Prozent der Baukosten trägt. „Da die Kelteranla­ge durch die ganze Technik zwölf bis 14 Millionen Euro kostet, ist das in unserem Fall besonders viel“, sagt Winzerspre­cherin Bock. Dafür dürfen die Winzer Fred anschließe­nd auch behalten. Als einziges Bundesland hat Bayern die Regelung, dass ein archäologi­scher Fund dem Grundstück­seigentüme­r und Finder gehört, nicht dem Staat. Da allerdings auch die Aufbewahru­ng und Pflege Freds mit hohen Kosten verbunden sein wird, wissen die Winzer noch nicht, ob sie ihn behalten werden oder ob sie ihn an ein Museum geben. Die Museen dürften gerade mehrere Angebote bekommen – wenn auch nicht immer so außergewöh­nliche. Wegen der wachsenden Zahl an größeren Baumaßnahm­en steigt auch die Zahl der Grabungen. 2018 war mit 770 Ausgrabung­en ein Rekordjahr, teilt das Bayerische Landesamt für Denkmalpfl­ege mit. Fred könnte also bald Gesellscha­ft bekommen. Vanessa Köneke, dpa

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Foto: Daniel Karmann, dpa Scott Tucker, Archäologe, sitzt an einer Ausgrabung­sstelle neben dem Skelett aus dem Mittelneol­ithikum.

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