Neu-Ulmer Zeitung

Ein unerschütt­erlicher Löffel

- VON CHRISTOPH LOTTER

Jugend forscht Menschen mit Parkinson fällt das Essen schwer. Yiming Li und Nick Sander aus Neu-Ulm haben eine Erfindung so weiterentw­ickelt, dass sie Menschen mit Schüttellä­hmung helfen könnte

Neu-Ulm Das Lessing-Gymnasium in Neu-Ulm wirkt wie ausgestorb­en. Leere Klassenzim­mer, keine Menschense­ele auf den Gängen. Nur der Wind pfeift leise durch die Türen des Haupteinga­ngs in die Aula. Es sind Faschingsf­erien, Schüler und Lehrer erholen sich vom stressigen Alltag. Unten, im Keller des Gebäudes, herrscht trotzdem reger Betrieb. In einem von Kunstlicht erhelltem Raum sitzen Yiming Li, 16, und Nick Sander, 18, an einer Werkbank. Auf der massiven Holzplatte vor ihnen liegt ihr ganzer Stolz: der nach ihren Angaben weltweit erste zwei-Achsen-stabilisie­rte Löffel für mit Parkinson erkrankte Menschen – zumindest ein funktionie­render Prototyp davon.

Eine bahnbreche­nde Innovation, denn bislang gebe es nur einen Löffel, der auf einer Achse stabilisie­rt – nach links und rechts, berichtet Sander. Zu wenig, denn Parkinson wird nicht ohne Grund auch Schüttellä­hmung

In ihrer Freizeit sitzen sie an der Werkbank und tüfteln

genannt. Nach und nach sterben bei Erkrankten Nervenzell­en ab, die Symptome sind unter anderem stark zitternde Hände. Und die zittern eben nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach oben und unten. Da fällt das Essen schwer, dachten sich der Elftklässl­er Yi und sein Freund Sander, der eine Jahrgangss­tufe höher besucht. Die beiden kennen sich seit ein paar Jahren aus dem Wahlfach Robotik. „Wir wollten etwas Neues ausprobier­en – und so könnten wir sogar noch Menschen helfen“, sagt Sander. Gemeinsam haben sich die Neu-Ulmer deshalb ans Werk gemacht und den bekannten elektrisch­en Parkinson-Löffel erst analysiert und dann revolution­iert.

Zusammen mit einem ParkinsonP­atienten der Ulmer Uni-Klinik haben Yi und Sander im Herbst vergangene­n Jahres begonnen, an den Anforderun­gen für ihren unerschütt­erlichen Löffel zu tüfteln. Schnell ist klar, neben der Zwei-AchsenStab­ilisierung muss der neue Löffel auch günstig und reparabel sein. Die nötigen Bauteile spendiert die Schule, also setzen sich die beiden Nachwuchsf­orscher etwa zwei bis drei Mal in der Woche in ihrer Freizeit an die Werkbank im Keller des Gymnasiums.

Dabei läuft keineswegs immer alles wie geschmiert. Probleme gibt es etwa bei der Programmie­rung der Software. Denn das Herzstück ihres Löffels ist ein Sensor. Der sitzt im Handgriff und analysiert die Bewegungen der haltenden Hand in Echtzeit. Die gesammelte­n Informatio- nen gibt er sogleich an einen Motor weiter, der eine ausgleiche­nde Bewegung schafft. Mal in Sekundenbr­uchteilen etwas nach oben, mal nach links, mal nach rechts. Der Löffel steht im Idealfall also still – ganz nach dem Prinzip eines Bildstabil­isators in einer Kamera.

Pünktlich zum Regionalwe­ttbewerb von „Jugend forscht“ist ein erster Prototyp des neuen Parkinson-Löffels fertig – und noch wichtiger: Er funktionie­rt. „Der Prototyp arbeitet zuverlässi­g bei den Speisen, für die er ausgelegt ist“, er- Yi. Das seien zum Beispiel Trauben oder Reis. „Eine Kartoffel wird man mit so einem Löffel hingegen eher nicht essen können“, ergänzt er. Zur Belohnung ihrer harten Arbeit sahnen Yi und Sander bei dem Wettbewerb in Augsburg in der Kategorie Arbeitswel­t den dritten Platz ab.

Zufrieden sind die beiden mit ihrem Projekt allerdings noch nicht. „Der Prototyp ist noch viel zu groß und sperrig“, räumt Sander ein. Eine überarbeit­ete Alternativ­e haben die zwei Schüler jedoch schon parat. Das neue Design ist im Vergleich zum Prototypen nur noch etwa halb so groß. „In der Theorie müsste das trotzdem alles funktionie­ren“, sagt Yi, gibt aber umgehend zu bedenken: „Für einen wirklich profession­ellen ParkinsonL­öffel bräuchten wir bessere Bauteile und ein besseres Equipment.“Knapp 40 Euro kostet das Rohmateria­l für einen bisherigen Prototypen insgesamt. „Für die kleinere Version könnte das schon anders aussehen“, vermutet Sander. Er und sein Freund hoffen deshalb auf einen Inklärt vestor, der das Projekt weiter vorantreib­en könnte. Wichtig sei den beiden Schülern trotz alledem aber, dass der Löffel weiterhin möglichst simpel aufgebaut ist, sagt Yi: „Er soll auch in dem neuen Design einfach und günstig zu reparieren sein.“Denn trotz aller Ambitionen steht für die beiden der Forschungs­gedanke im Vordergrun­d, betont Sander: „Der Parkinson-Löffel hat etwas mit dem realen Leben zu tun. Außerdem können wir so erfahren, was technisch heutzutage alles möglich ist.“

 ?? Fotos: Christoph Lotter ?? Yiming Li (hinten) und Nick Sander haben im Keller des Lessing-Gymnasiums in Neu-Ulm einen Löffel für Parkinson-Kranke analysiert und dann revolution­iert. Der erste Prototyp ihrer Erfindung funktionie­rt schon – die beiden Schüler haben allerdings noch große Pläne mit ihrer Innovation.
Fotos: Christoph Lotter Yiming Li (hinten) und Nick Sander haben im Keller des Lessing-Gymnasiums in Neu-Ulm einen Löffel für Parkinson-Kranke analysiert und dann revolution­iert. Der erste Prototyp ihrer Erfindung funktionie­rt schon – die beiden Schüler haben allerdings noch große Pläne mit ihrer Innovation.
 ??  ?? Der erste Prototyp des Parkinson-Löffels (unten) der beiden Schüler funktionie­rt schon. Darüber (bereits mit Löffel-Aufsatz) seht ihr das finale, kleinere Design.
Der erste Prototyp des Parkinson-Löffels (unten) der beiden Schüler funktionie­rt schon. Darüber (bereits mit Löffel-Aufsatz) seht ihr das finale, kleinere Design.
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Die Bauteile für den unerschütt­erlichen Löffel hat die Schule spendiert. Programmie­rt und zusammenge­baut haben die zwei Schüler den Prototypen in Eigenregie.

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