Ein unerschütterlicher Löffel
Jugend forscht Menschen mit Parkinson fällt das Essen schwer. Yiming Li und Nick Sander aus Neu-Ulm haben eine Erfindung so weiterentwickelt, dass sie Menschen mit Schüttellähmung helfen könnte
Neu-Ulm Das Lessing-Gymnasium in Neu-Ulm wirkt wie ausgestorben. Leere Klassenzimmer, keine Menschenseele auf den Gängen. Nur der Wind pfeift leise durch die Türen des Haupteingangs in die Aula. Es sind Faschingsferien, Schüler und Lehrer erholen sich vom stressigen Alltag. Unten, im Keller des Gebäudes, herrscht trotzdem reger Betrieb. In einem von Kunstlicht erhelltem Raum sitzen Yiming Li, 16, und Nick Sander, 18, an einer Werkbank. Auf der massiven Holzplatte vor ihnen liegt ihr ganzer Stolz: der nach ihren Angaben weltweit erste zwei-Achsen-stabilisierte Löffel für mit Parkinson erkrankte Menschen – zumindest ein funktionierender Prototyp davon.
Eine bahnbrechende Innovation, denn bislang gebe es nur einen Löffel, der auf einer Achse stabilisiert – nach links und rechts, berichtet Sander. Zu wenig, denn Parkinson wird nicht ohne Grund auch Schüttellähmung
In ihrer Freizeit sitzen sie an der Werkbank und tüfteln
genannt. Nach und nach sterben bei Erkrankten Nervenzellen ab, die Symptome sind unter anderem stark zitternde Hände. Und die zittern eben nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach oben und unten. Da fällt das Essen schwer, dachten sich der Elftklässler Yi und sein Freund Sander, der eine Jahrgangsstufe höher besucht. Die beiden kennen sich seit ein paar Jahren aus dem Wahlfach Robotik. „Wir wollten etwas Neues ausprobieren – und so könnten wir sogar noch Menschen helfen“, sagt Sander. Gemeinsam haben sich die Neu-Ulmer deshalb ans Werk gemacht und den bekannten elektrischen Parkinson-Löffel erst analysiert und dann revolutioniert.
Zusammen mit einem ParkinsonPatienten der Ulmer Uni-Klinik haben Yi und Sander im Herbst vergangenen Jahres begonnen, an den Anforderungen für ihren unerschütterlichen Löffel zu tüfteln. Schnell ist klar, neben der Zwei-AchsenStabilisierung muss der neue Löffel auch günstig und reparabel sein. Die nötigen Bauteile spendiert die Schule, also setzen sich die beiden Nachwuchsforscher etwa zwei bis drei Mal in der Woche in ihrer Freizeit an die Werkbank im Keller des Gymnasiums.
Dabei läuft keineswegs immer alles wie geschmiert. Probleme gibt es etwa bei der Programmierung der Software. Denn das Herzstück ihres Löffels ist ein Sensor. Der sitzt im Handgriff und analysiert die Bewegungen der haltenden Hand in Echtzeit. Die gesammelten Informatio- nen gibt er sogleich an einen Motor weiter, der eine ausgleichende Bewegung schafft. Mal in Sekundenbruchteilen etwas nach oben, mal nach links, mal nach rechts. Der Löffel steht im Idealfall also still – ganz nach dem Prinzip eines Bildstabilisators in einer Kamera.
Pünktlich zum Regionalwettbewerb von „Jugend forscht“ist ein erster Prototyp des neuen Parkinson-Löffels fertig – und noch wichtiger: Er funktioniert. „Der Prototyp arbeitet zuverlässig bei den Speisen, für die er ausgelegt ist“, er- Yi. Das seien zum Beispiel Trauben oder Reis. „Eine Kartoffel wird man mit so einem Löffel hingegen eher nicht essen können“, ergänzt er. Zur Belohnung ihrer harten Arbeit sahnen Yi und Sander bei dem Wettbewerb in Augsburg in der Kategorie Arbeitswelt den dritten Platz ab.
Zufrieden sind die beiden mit ihrem Projekt allerdings noch nicht. „Der Prototyp ist noch viel zu groß und sperrig“, räumt Sander ein. Eine überarbeitete Alternative haben die zwei Schüler jedoch schon parat. Das neue Design ist im Vergleich zum Prototypen nur noch etwa halb so groß. „In der Theorie müsste das trotzdem alles funktionieren“, sagt Yi, gibt aber umgehend zu bedenken: „Für einen wirklich professionellen ParkinsonLöffel bräuchten wir bessere Bauteile und ein besseres Equipment.“Knapp 40 Euro kostet das Rohmaterial für einen bisherigen Prototypen insgesamt. „Für die kleinere Version könnte das schon anders aussehen“, vermutet Sander. Er und sein Freund hoffen deshalb auf einen Inklärt vestor, der das Projekt weiter vorantreiben könnte. Wichtig sei den beiden Schülern trotz alledem aber, dass der Löffel weiterhin möglichst simpel aufgebaut ist, sagt Yi: „Er soll auch in dem neuen Design einfach und günstig zu reparieren sein.“Denn trotz aller Ambitionen steht für die beiden der Forschungsgedanke im Vordergrund, betont Sander: „Der Parkinson-Löffel hat etwas mit dem realen Leben zu tun. Außerdem können wir so erfahren, was technisch heutzutage alles möglich ist.“