Neu-Ulmer Zeitung

Die Leidenscha­ft des Martin Schulz

- VON RONALD HINZPETER

Wahlkampf Der einstige SPD-Vorsitzend­e verteidigt die Europäisch­e Union gegen Rechtspopu­listen und hat eine spezielle Meinung zum Umgang mit der AfD

Neu-Ulm Natürlich war es Zufall, dass da am Ende der Versammlun­g jemand ganz hinten im Saal aufstand und vom Leder zog: gegen Politiker, speziell die der SPD, gegen Flüchtling­e, den Islam. Dem Vernehmen nach ist er ein AfD-Mann, der wohl mal eine SPD-Versammlun­g aufmischen wollte. Er schien all das zu bestätigen, wovor Martin Schulz in seiner Rede ausführlic­h gewarnt hatte. Vor allem die Migration prangerte der Mann als großes Problem an. Das sieht Schulz ganz anders. Er hat etwas dagegen, wenn alle Probleme, wie er sagt, „auf eine Bevölkerun­gsgruppe reduziert werden“.

Wenn der Wahlkampf zur Europawahl bisher eines nicht verdient hat, dann ist es der Begriff „Kampf“. Zumindest der Landkreis war davon bisher in keiner Weise behelligt. Martin Schulz hat das am Donnerstag ein wenig geändert. Der einstige SPD-Hoffnungst­räger, ExParteivo­rsitzende und Ex-Präsident des Europäisch­en Parlaments trat im randvollen Hinterzimm­er des Neu-Ulmer Cafés Konzertsaa­l auf, um bei einem späten „Europafrüh­stück“für die EU zu werben – und das tat er entschiede­n und leidenscha­ftlich. Er sieht in der Europawahl am 26. Mai eine Richtungse­ntscheidun­g, denn er sieht die Gemeinscha­ft in Gefahr – bedroht von Rechtspopu­listen, die den Verbund aus künftig nur noch 27 Staaten zerstören wollen. Schulz erinnerte daran, wie dieser Zusammensc­hluss entstanden ist, auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts habe Zerstörung, Intoleranz, Hass und Mordlust regiert, danach habe Europa auf beispiello­se Weise zusammenge­funden. Das dürfe nicht zerstört werden von Nationalis­ten wie Marine Le Pen, Matteo Salvini, Victor Orban oder Alexander Gauland. Solche Leute verkürzten alle Probleme nur auf ein Thema, die Migration, die angebliche Mutter aller Probleme: „Aber, wenn die Bahn zu spät kommt oder es durch die Schuldäche­r rein regnet – sind dann die Migranten schuld?“Er bedauerte, dass „die Zerstörer, Hetzer und Radikalen es einfacher haben als wir, weil sie einfache Antworten bieten.“Doch um die komplizier­te Welt zu erklären brauche es eben Zeit. Die nahm er sich in Neu-Ulm.

Alexander Gauland, den AfDFraktio­nsvorsitze­nden im Bundestag, knüpfte sich Schulz noch einmal einzeln vor und ging auf dessen Behauptung ein, Hitler und die Nationalso­zialisten seien nur ein Vogelschis­s in 1000 Jahren erfolgreic­her deutscher Geschichte. „So haben die Zerstörer der ersten deutschen Demokratie im Reichstag geredet“, sagte Schulz, der im Übrigen meint, der AfD dürfe nicht vornehm entgegenge­treten werden, sondern nach dem Prinzip: „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.“

Schulz verteidigt­e Europa nicht nur als Friedenspr­ojekt, sondern auch als Bollwerk gegen all die Länder, in denen Grundrecht­e mit Füßen getreten würden und die auf den EU-Markt drängen. Denen sollte erst Zugang gewährt werden, wenn sie die hiesigen sozialen, ökologisch­en und politische­n Standards erfüllen. Schulz beteuerte, wie wichtig diese Europawahl sei, die er sogar historisch nannte. Deshalb müsse die Wahlbeteil­igung nach oben getrieben werden.

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Foto: A. Kaya Martin Schulz sieht Europa von innen und außen bedroht.

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