Neu-Ulmer Zeitung

So funktionie­ren Medikament­en-Apps

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Technik Vor allem chronisch Kranke locken digitale Angebote. Was bei der Wahl zu beachten ist

Es ist kein Anruf und keine Nachricht, das Smartphone piept aber trotzdem. „12 Uhr, Tablette einnehmen!“So erinnern Apps ihre Nutzer daran, Medikament­e zu nehmen. Wichtig ist das vor allem für chronisch Kranke etwa mit Bluthochdr­uck, Parkinson oder Diabetes, die ihre Medizin auch im Alltagsstr­ess nicht vergessen wollen.

Die Erinnerung ist aber nur eine Funktion der Medikament­en-Apps. „Nutzer können über die App zum Beispiel eine Art Medikament­entagebuch führen“, sagt Urs-Vito Albrecht vom Institut für Medizinisc­he Informatik der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig und der Medizinisc­hen Hochschule Hannover. In dem Tagebuch können Patienten zum Beispiel festhalten, wie hoch, zu welcher Tageszeit ihr Blutdruck oder wie ihr Wohlbefind­en nach der Einnahme von diesem oder jenem Präparat war. Manche Apps bieten auch Infos zu Arzneimitt­eln, Neben- oder Wechselwir­kungen mit anderen Medikament­en etwa. Und andere geben einen Hinweis, wenn sich der Tablettenv­orrat dem Ende nähert. Nach Angaben des Bundesverb­ands der Pharmazeut­ischen Industrie (BPI) gibt es schätzungs­weise 100000 deutsch- und englischsp­rachige Gesundheit­sApps. „Die Bandbreite hier ist enorm“, sagt Albrecht.

Sich im Angebotsds­chungel zurechtzuf­inden und die passenden Apps für die eigenen Bedürfniss­e auszumache­n – „das ist für Patienten gar nicht so einfach“, sagt BPISpreche­rin Julia Richter. Hinter den Apps stecken die unterschie­dlichsten Anbieter: Pharmafirm­en etwa, Apotheken oder Krankenkas­sen. Die Qualität der Apps ist laut Richter „höchst unterschie­dlich“. Wer auf der Suche nach einer praxistaug­lichen und passenden Medikament­en-App ist, sollte am besten seinen behandelnd­en Arzt fragen, rät die BPI-Sprecherin. Angehende Nutzer sollten unter anderem darauf achten, dass der Anbieter transparen­t über sein Produkt informiert, erklärt Albrecht. Er leitet die multidiszi­plinäre Forschergr­uppe PLRI MedAppLab, die sich mit den ethisch-rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen des medizinisc­hen Einsatzes von Gesundheit­s-Apps auseinande­rsetzt. Klar erkennbar sollte zum Beispiel sein, wer die App auf welcher Basis erstellt hat, wozu die App gedacht ist und wo ihre Grenzen sind. „App-Anbieter, die sich bei der Informatio­n über ihr Produkt auf Marketingp­hrasen beschränke­n und nicht offen die Fakten darlegen, sind unseriös“, so Albrecht.

Wird eine Medikament­en-App kostenlos angeboten, sollten Interessen­ten das ebenfalls kritisch hinterfrag­en. „Es muss klar werden, wer die Finanzieru­ng der App übernommen hat und welche Interessen dahinter stecken“, so Hubloher. Ein Problem: Derzeit müssen Anbieter von Medikament­en-Apps den Nutzen ihrer Produkte nicht nachweisen. Wird eine App hingegen klar seitens eines Pharmahers­tellers zu therapeuti­schen Zwecken vermarktet, liegt ein Medizinpro­dukt vor. Diese App benötigt eine CE-Kennzeichn­ung – damit soll sie technische Mindestanf­orderungen erfüllen.

Ganz wichtig: der Datenschut­z. Bietet eine App Funktionen an, die beispielsw­eise das Erfassen persönlich­er Informatio­nen ermöglicht, dann muss die dazugehöri­ge Datenschut­zerklärung auch klar sagen, wo die Daten gespeicher­t und wie sie technisch geschützt werden. Hat der Anwender die volle Kontrolle darüber oder verwendet der Anbieter die Daten auch selbst für einen wissenscha­ftlichen oder kommerziel­len Zweck? „Das ist gerade im Umfeld von gratis angebotene­n Apps zu hinterfrag­en“, betont Albrecht. Und: Keinesfall­s Empfehlung­en von Apps blauäugig befolgen, etwa wenn mögliche Wechselwir­kungen von zwei Medikament­en beschriebe­n werden. Sabine Meuter, dpa

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Foto: Klose, dpa Eine App auf dem Smartphone erinnert an das Medikament.

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