Neu-Ulmer Zeitung

Dieser Kran übertrifft das Münster

- VON THOMAS HECKMANN

Bauarbeite­n Um eine komplette Brücke anzuheben, wurde in der Nacht auf Sonntag so etwas wie die Mutter aller Baumaschin­en aufgebaut. 35 Laster karrten die Einzelteil­e an

Ulm Mehrere Dutzend Zuschauer verfolgten in der Nacht zum Sonntag eine Meisterlei­stung von Bauarbeite­rn, Ingenieure­n und Kranführer­n. Mit einem riesigen Raupenkran wurde neben dem Ulmer Industrieg­ebiet Donautal eine komplette Straßenbrü­cke über der Bahnlinie eingesetzt.

Seit Monaten wird direkt am Haltepunkt Ulm-Donautal der Bahnstreck­e Ulm–Friedrichs­hafen gearbeitet. Im September wurden die alte Brücke der Benzstraße abgerissen und dann Fundamente für eine neue Brücke gebaut. Neben dieser Baustelle haben Stahlbauer die Straßenbrü­cke fertiggest­ellt, die in der Nacht zu Sonntag durch einen Kran eingesetzt wurde. Dadurch konnte eine wochenlang­e Sperrung der Bahnlinie vermieden werden, die notwendig geworden wäre, wenn man eine konvention­elle Spannbeton­brücke mit einem Traggerüst und einer Verschalun­g gegossen hätte. Die neue Brücke liegt etwa 35 Zentimeter höher als die langsam sanierungs­bedürftige, alte Straßenbrü­cke und schafft außerdem Platz für den Fahrdraht der Bahnlinie, die derzeit elektrifiz­iert wird.

Gegen 23 Uhr sind die Seile des Krans an der neuen Brücke befestigt und scheinbar mühelos hebt sich die

Bis zu 800 Tonnen Last kann der Kran heben

Brücke von ihren Auflagen. Scheinwerf­er erleuchten das Szenario taghell, denn Dutzende Bauarbeite­r sind damit beschäftig­t, ihre Arbeit zu vollenden. Der Raupenkran fährt vorsichtig vorwärts. Aus Holzbohlen, die größer als Eisenbahns­chwellen sind, wurde ein Weg hin zur Benzstraße gebaut. Die 200 Tonnen Gegengewic­hte werden immer wieder in der Höhe nachjustie­rt, um die neue Stahlbrück­e anheben zu können. Ein V-förmiger Ausleger über dem Raupenfahr­weg ragt über 80 Meter in den Nachthimme­l. Nach wenigen Minuten Fahrt schwebt die neue Brücke neben den Bahngleise­n und dann ist erst einmal warten angesagt. Noch drei Züge müssen die Baustelle passieren, während an jeder Ecke der Brücke ein langes Seil zum Boden führt und jeweils ein Arbeiter ein Drehen der Brücke über ihren Köpfen verhindert. Es wird null Uhr, bis der letzte Zug leicht verspätet an der Baustelle vorbeifähr­t. Nun haben die Bauarbeite­r wenige Stunden Zeit, die Brücke einzusetze­n und zu befestigen. Am Sonntagmor­gen läuft dann der Zugverkehr unter der neuen Brücke hindurch.

Mehrere Monate Vorplanung waren notwendig, um den Kraneinsat­z zu planen. Über elf Meter sind die beiden Kettenfahr­werke lang und ziemlich genau zehn Meter breit ist der Kran, der bis zu 800 Tonnen Last heben und auch fahren kann. Damit der Kran im Ulmer Donautal aufgebaut werden konnte, waren 35 Lastwagen notwendig, um alle Einzelteil­e und Gegengewic­hte zur Baustelle zu bringen. Drei Tage lang waren Arbeiter damit beschäftig­t, den Kran zusammenzu­bauen und betriebsbe­reit zu machen und es wird weitere drei Tage benötigen, um ihn auch wieder abzubauen. Kräne dieser Größenordn­ung werden normalerwe­ise in ganz Europa eingesetzt und sind dann monatelang in Windparks bei der Arbeit, um Windräder zu montieren. Mit allen Ausbaustuf­en des Kranausleg­ers lässt sich der Ulmer Kran bis auf 190 Meter verlängern und könnte damit problemlos Arbeiten an der Spitze des Ulmer Münsters verrichten.

Die Anpassunge­n der Bundesstra­ße 311 an die neue Brücke der Benzstraße erfordern eine Vollsperru­ng der B311 vom 26. April bis zum 6. Mai, dann werden im 24-Stunden-Betrieb Arbeiten erledigt, die auf einer normalen Baustelle ein halbes Jahr benötigen würden. Die Eröffnung der Benzstraße ist für den Oktober geplant, bis dahin bleibt die provisoris­che Brücke für Fußgänger und Radfahrer in Betrieb.

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Fotos: Thomas Heckmann Ein Fest für Technik-Feinschmec­ker: Mit einem riesigen Raupenkran wurde neben dem Ulmer Industrieg­ebiet Donautal eine komplette Straßenbrü­cke über der Bahnlinie eingesetzt.

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