Jazz-Star Nguyên Lê zieht im Stadthaus neue Saiten auf
Musik Ulm ist derzeit eine der ersten Adressen in Europa: Wieder macht einer der Großen dort Station – und setzt Meilensteine
Ulm Er gilt als einer der derzeit vielseitigsten Musiker auf den Bühnen der Welt und begeistert als Weltbürger des Jazz seine Fans: Der Gitarrist Nguyên Lê. Jetzt ist der Franzose mit vietnamesischen Wurzeln mit seinem Quartett Streams nach Ulm gekommen, um musikalische Meilensteine der Grenzenlosigkeit zu setzen.
Ulm gehört offenbar derzeit zu den ersten Jazz-Adressen, wenn die Großen dieser Welt auf EuropaTournee gehen. In der diesjährigen Reihe „Strings“startete der amerikanische Gitarristen-Titan Bill Frisell seine Europatournee im Stadthaus und gab sich förmlich die Hand mit dem Grenzüberwinder Nguyên Lê, der vom rührigen Leiter des Vereins für moderne Musik Ulm/ Neu-Ulm angeworben worden war. Zu seinem 60. Geburtstag im Januar hat Nguyên Lê sich und seine weltweiten Fans mit dem neuen Album „Streams“beschenkt, in dem der Meister im wahrsten Sinne des Wortes neue „Saiten“aufzieht.
Experimentiert hat der Franzose mit vietnamesischen Wurzeln sein ganzes Leben lang. In Paris aufgewachsen, wo er Philosophie und bildende Kunst studierte, probierte er als Jugendlicher mehrere Instrumente als Autodidakt aus, bis er in einem Club zum ersten Mal afro-karibische Musik hörte und für immer zur E-Gitarre griff. Zwei Jahre nach dem Selbststudium stieg der heute 60-Jährige in die Fusionsband Ultramarine ein und startete eine Weltkarriere, die bis heute anhält. Die großen des internationalen JazzKosmos wie Randy Brecker und Carla Bley hielten um seine Hand an, als Solist der WDR-Bigband setzte er Maßstäbe – bis er sich seiner asiatischen Wurzeln besann und mehr und mehr filigrane, schwebende Klanglandschaften mit seinen Bands erschuf, die sich vom Taoismus inspirieren ließ.
In seinem Geburtstagsalbum nimmt Nguyên Lê das fachkundige Publikum mit auf einen einzigartigen Tauchgang in die Tiefen und Untiefen der Musik. Dabei verzichtet er auf seine früher gern eingestreute Rockbissigkeit weitgehend.
Seine Musik möge ein Mittelweg zwischen den Strömungen der Kulturen sein, hat Nguyên Lê einmal in einem Interview seine Musik-Philosophie erläutert. Unter den neun Stücken, die die Band im Stadthaus spielt, ragt „Sawira“als Paradebeispiel dafür heraus. Über den stoischen, aber unaufdringlichen Achtelpuls der Marimba entfaltet sich ein vertracktes, spannendes Thema, das in einem meisterhaften Vibrafon-Solo mündet – gespielt vom Schwiegersohn von Bandleader Nguyên Lê, der mit dieser Musik aufwuchs und mit ihm früh auf die Reisen in die weite Welt von Peru bis in die Mongolei, in den Nahen Osten und Indonesien und natürlich nach Vietnam ging und die interkulturellen Musikströme genüsslich aufsog um sie später seinem Publikum weiterzugeben.