Neu-Ulmer Zeitung

Unfallursa­che: Handy

- VON SEBASTIAN MAYR UND MICHAEL RUDDIGKEIT

Statistik Die Polizei erwischt in Neu-Ulm und Ulm immer mehr Autofahrer, die texten oder telefonier­en. Die Beamten sehen in der Ablenkung eine tödliche Gefahr

Neu-Ulm/Ulm Selten ist ein Fall so klar wie in der Anekdote, die Christian Nill erzählen kann. Der Ulmer Polizeiprä­sident wartete spätabends an einer roten Ampel auf der Zinglerbrü­cke in Ulm, als eine junge Frau mit einem VW Polo ziemlich rasant ins Heck seines Wagens fuhr. Nill stieg aus, trat ans Fenster der Fahrerin – und die Frau sagte: „Ich bin gleich da, ich muss noch meine SMS fertig schreiben.“

Die Geschichte ist die heitere Fußnote eines ernsten Themas: Die Zahl der Fahrer, die mit dem Handy am Steuer erwischt werden, steigt rapide. Und immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen, bei denen sich keine Ursache ermitteln lässt. „Da ist der Verdacht nahe, dass Ablenkung in irgendeine­r Form eine Rolle gespielt hat“, sagte Manfred Burger, Leiter der Ulmer Verkehrspo­lizeidirek­tion, bei der Vorstellun­g der Unfallstat­istik des Präsidiums Ulm am Donnerstag.

Auf der anderen Donauseite ist das Problem dasselbe: Ablenkung sei eine zunehmende und oft unterschät­zte

Ordnungshü­ter legen Fokus auch auf Temposünde­r

Gefahr im Straßenver­kehr, erläuterte Rainer Finkel, Leiter der Polizeiins­pektion Neu-Ulm. Betroffen sei jeder Verkehrste­ilnehmer, ob Fußgänger, Radler oder Autofahrer. Ursachen gebe es viele – Navi, Radio, Essen und Trinken, angeregte Unterhaltu­ng oder das Tragen von Kopfhörern. Doch der Ablenkungs­faktor Nummer eins sei zweifellos das Handy. Im vergangene­n Jahr verhängte die Neu-Ulmer Polizei gegen 743 Autofahrer Bußgelder, weil sie mit dem Smartphone am Steuer erwischt wurden, 44 mehr als im Jahr davor. Wie viele Unfälle tatsächlic­h durchs Handy verursacht wurden, weiß die Polizei nicht. Es gibt nur Indizien, die darauf hinweisen. Beispielsw­eise gibt es eine auffällige Steigerung bei der Unfallursa­che „unzureiche­nder Abstand“. 2018 waren es 747 Unfälle mit 124 Verletzten, im Jahr davor waren es noch 395 Fälle mit 107 Verletzten.

Wie oft Autofahrer zu dicht auffahren, weil sie aufs Smartphone schauen, kann die Polizei nur vermuten. Doch die Beamten sind dafür sensibilis­iert und schauen genau hin, wenn sie auf Streife sind. „Das ist ein Schwerpunk­t für 2019, und da lassen wir auch nicht locker“, sagte Rainer Finkel. Auch Geschwindi­gkeitsmess­ungen und Alkoholund Drogenkont­rollen hat die Neu-Ulmer Polizei auf dem Zettel. Denn die Zahl der Unfälle, die durch Temposünde­r oder berauschte Fahrer verursacht wurden, ist voriges Jahr ebenfalls gestiegen.

Manfred Burger von der Verkehrspo­lizei Ulm spricht von einer erschrecke­nd hohen Zahl von Autofahrer­n, die auf der Straße ihr Smartphone bedienen. Auch die Beamten in Ulm begegnen dem Problem mit verstärkte­n Kontrollen – und dem Appell, das Handy auf der Fahrt keinesfall­s in die Hand zu nehmen. „Habe ich den Anruf entgegenge­nommen und es passiert etwas, war es vielleicht mein letzter Anruf“, warnt Burger. Das Ulmer Präsidium ist für die Stadt Ulm sowie die Landkreise Alb-Donau, Heidenheim, Göppingen und Biberach zuständig. In diesem Gebiet registrier­te die Polizei im vergangene­n Jahr 5535 Fahrer, die am Steuer ihr Handy bedienten – 816 Verstöße mehr als im Vorjahr. Die Zahlen werden nur auf Präsidiums­ebene erhoben, Werte für die Stadt Ulm gibt es nicht. Bei zwölf der 41 Verkehrsto­ten ließ sich keine Ursache ermitteln. Ablenkung durch Smartphone­s könnte aus Sicht der Polizei eine Rolle gespielt haben.

Hohes Risiko gingen Fahrer auch in anderen Situatione­n ein: Polizisten erwischten fast 8000 Männer und Frauen ohne Gurt, 435 hatten ihre Kinder nicht vorschrift­smäßig gesichert. „Das kann man sich heute fast gar nicht mehr vorstellen“, kommentier­te Burger. Insgesamt waren die Unfallzahl­en im Bereich des Polizeiprä­sidiums Ulm erstmals seit fünf Jahren leicht rückläufig (23619, das sind 174 weniger als 2017). Die Zahl der Toten blieb unveränder­t, die der Verletzten stieg um fünf Prozent auf 3038.

Die Polizeiins­pektion Neu-Ulm ist für die Stadt Neu-Ulm und die Gemeinden Elchingen und Nersingen zuständig, ausgenomme­n die Autobahnen und Bundesstra­ßen. In ihrem Bereich gab es 2018 insgesamt 2657 Verkehrsun­fälle, ein Plus von 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Verletzten sank von 482 auf 477. Zwei Menschen wurden bei Unfällen getötet. Auf der B10 starb der Fahrer eines Autos, das bei einem Spurwechse­l von einem Lkw erfasst und auf die Gegenfahrb­ahn geschleude­rt wurde. In Ludwigsfel­d erlitt ein Radfahrer beim Zusammenst­oß mit einem Auto tödliche Verletzung­en.

Am Allgäuer Ring stieg die Zahl der Unfälle 2018 auf 59 (Vorjahr: 53). Elf Menschen wurden dabei verletzt, drei weniger als 2017. An acht Unfällen dort waren Radler beteiligt, an zweien Fußgänger. Im gesamten Zuständigk­eitsbereic­h passierten die meisten Unfälle zwischen 16 und 19 Uhr. Bei den Wochentage­n ist der Freitag am auffälligs­ten, gefolgt vom Dienstag.

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