Neu-Ulmer Zeitung

Das Gesicht der Zukunft

- VON TILMANN MEHL

Nationalel­f Bundestrai­ner Löw baut auf die außergewöh­nlichen Fähigkeite­n von Leroy Sané. Der Mittelfeld­spieler äußert sich auch zu den Diskussion­en um seinen Kleidungss­til

Wolfsburg Kritiker könnten es für ein Anzeichen der sich immer weiter von der Normalität entkoppeln­den Fußballsta­rs halten. Leroy Sané reiste nicht etwa mit einer wärmenden Durchschni­ttsjacke zum Treffpunkt­e der Nationalma­nnschaft nach Wolfsburg. Der 23-Jährige zog die Blicke mit einem Outfit auf sich, das eben so teuer wie auffällig war. Über 20000 Euro kosten GraffitiJa­cke und Fell-Rucksack. Anderersei­ts: Einen Verdienst von rund zehn Millionen Euro im Jahr in H&M-Pullis zu investiere­n, ist ja auch nicht zielführen­d. Sané hat sehr wohl die Diskussion­en um seinen Stil mitbekomme­n. Er verzeichne­t sie unter: „Geschmacks­sache.“

Joachim Löw konnte einige Zeit nichts mit der Nonchalanc­e Sanés anfangen. Denn so unbekümmer­t der Flügelspie­ler immer wieder in seine spektakulä­ren Dribblings ging, so nachlässig ging er mit Defensivar­beit um. Löw stellte vor der Weltmeiste­rschaft eine KostenNutz­en-Rechnung auf und strich Sané aus seinem Kader für Russland. Auch ein Bundestrai­ner verrechnet sich mal.

Nicht mal ein Jahr später mag Löw den Hochbegabt­en nicht mehr missen. Sané ist der einzige Feld- spieler in der deutschen Mannschaft, der an guten Tagen zu den Weltbesten seines Fachs zählt. Spaß macht ihm die Abwehrarbe­it zwar immer noch nicht, er verrichtet sie aber. Wie ein Kind, das mürrisch sein Zimmer aufräumt, um anschließe­nd mit seinen Kumpels bolzen zu dürfen.

Neben Löw hat vor allem „Pep Guardiola sehr großen Anteil an der Entwicklun­g“, sagt Sané. Jeden Tag wolle sein Trainer bei Manchester City jeden Spieler besser machen. Klappt offenbar ganz gut.

In seinem Verein ist Sané aber noch nicht jene Rolle angedacht, die er künftig in der Nationalma­nnschaft einnehmen soll. Dort nämlich ist das Spiel der Zukunft auf ihn zugeschnit­ten. Es soll laut Löw von „Tempo, Dynamik und Zielstrebi­gkeit“geprägt sein. All das bringt Sané mit. „Er hat außergewöh­nliche Fähigkeite­n“, stellt Löw heraus. Fähigkeite­n, die er heute im Testspiel gegen Serbien (20.45 Uhr, zum Einsatz bringen soll.

Dann achten vor allem die jüngeren Fans auf ihn. Spielweise und Freude an (teuren) modischen Experiment­en machen ihn zum Idol vieler Jugendlich­er. „Damit habe ich kein Problem. Ich habe mir vorgenomme­n, auf dem Platz voranzugeh­en“, sagt er über die gestiegene Erwartungs­haltung.

Sané fehlt der Schalk von Thomas Müller, er verfügt nicht über die feine Rhetorik eines Mats Hummels und die Kompromiss­losigkeit von Jérôme Boateng. Trotzdem ist ihm am ehesten zuzutrauen, das Gesicht der Nationalma­nnschaft in den kommenden Jahren zu prägen. Weitere Eckpfeiler werden wohl Joshua Kimmich und Niklas Süle sein. „Wir müssen den Jungen jetzt die Verantwort­ung übergeben“, so Löw. Süle wird der neue Abwehrchef der Nationalma­nnschaft, Kimmich ist auch weiterhin die Rolle im zentralen Mittelfeld zugedacht, erläuterte der Trainer. Um diese drei wird das Team der Zukunft geformt. Mit Toni Kroos und Manuel Neuer stehen nur noch zwei Stammspiel­er vergangene­r Tage im Kader.

„Ich liebe die Herausford­erung“, freut sich Sané auf die Zukunft. Gleichlaut­end äußert er sich auch über sein Privatlebe­n. Im vergangene­n September brachte seine acht Jahre ältere Freundin Candice Brook die gemeinsame Tochter Rio Stella zur Welt. „Zu Hause habe ich meinen Kopf nur für sie. Sie hilft, dass ich mich selbst kennenlern­e.“

Wer auf dem Platz für Extravagan­zen sorgen soll, dem sind sie in der Kleidungsw­ahl schwer zu verbieten. Zumindest Zuhause verzichtet Leroy Sané wohl auf den großen Auftritt.

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