Neu-Ulmer Zeitung

Vorsitzend­e prellte Fördervere­in einer Grundschul­e um 8000 Euro

- VON WOLFGANG KAHLER

Prozess Die Frau steckte monatelang Geld in die eigene Tasche. Als die Sache aufflog, setzte sie sich nach Spanien ab. Jetzt stand die 36-Jährige in Neu-Ulm wegen Untreue vor Gericht

Neu-Ulm Was hat Carles Puigdemont, der ehemalige Regionalpr­äsident von Katalonien, mit einem Strafproze­ss wegen Untreue am Amtsgerich­t Neu-Ulm zu tun? Dafür lieferte Richter Thomas Mayer eine Erklärung. In Juristenkr­eisen wurde vermutet, der aus deutscher Haft entlassene Politiker sei der Grund dafür, dass eine mit internatio­nalem Haftbefehl gesuchte Angeklagte aus dem Landkreis Neu-Ulm in Spanien auf freiem Fuß blieb. Es half ihr nichts. Am Dienstag wurde die 36-Jährige zu einer Bewährungs­strafe und Rückzahlun­g des veruntreut­en Geldbetrag­es an den Fördervere­in verurteilt.

Die Frau hatte, so die Staatsanwa­ltschaft, als Vorsitzend­e den Fördervere­in einer Grundschul­e im nördlichen Landkreis um circa 8300 Euro geschädigt. Wegen dieses als gewerbsmäß­ige Untreue eingestuft­en Delikts sollte der Prozess gegen die 36-Jährige eigentlich schon im August vergangene­n Jahres über die Bühne gehen. Doch die alleinerzi­ehende Mutter machte sich aus dem Staub. Sie sei angeblich auf Auslandsre­ise, informiert­e ihr Anwalt. Auf die freiwillig­e Rückkehr wollte Amtsgerich­tsdirektor Mayer nicht warten: Er erließ Haftbefehl.

Das führte zu weiteren Komplikati­onen, denn die Frau war an ihrem vorübergeh­enden Zufluchtso­rt in Andalusien nicht angemeldet. Der Aufenthalt­sort wurde erst über eine Interpol-Fahndung ermittelt. „Sie hätten sich viel Ärger ersparen können“, machte der Richter gegenüber der Angeklagte­n deutlich. „Die Kripo hat viel Arbeit aufgewende­t, um ihnen auf die Spur zu kommen.“

Die Festnahme erfolgte Mitte Februar, seitdem saß die Frau in Untersuchu­ngshaft. In Spanien wurde der Haftbefehl jedenfalls nicht vollzogen, erklärte der Richter. Was zur internen Diskussion darüber führte, ob dies quasi eine Retourkuts­che für die Entlassung des Separatist­enführers Puigdemont aus deutscher Haft im April 2018 gewesen sein könnte: „Ein hoch politische­r Fall“, meinte Mayer. Dieser Punkt wurde im Verfahren aber nicht vertieft. Auf Kosten des Steuerzahl­ers, so der Richter, mussten zwei Kripobeamt­e nach Madrid fliegen, um die Angeklagte dort abzuholen.

Die 36-Jährige ließ in einer Erklärung ihres Verteidige­r Martin Rademacher alle Anklagepun­kte einräumen. Sie hatte aus der Kasse des Fördervere­ins über drei Monate hinweg 13 Mal Beträge zwischen 50 und einmal sogar knapp 2500 Euro für den eigenen Bedarf abgezweigt und zusätzlich die Spende eines Autohauses über 300 Euro eingesteck­t. Als Motiv für ihre kriminelle­n Aktivitäte­n gab sie an, dass ihre Kinder nicht unter ihren desolaten finanziell­en Verhältnis­sen leiden sollten.

Im Oktober 2017 war die Angeklagte zur Vorsitzend­en des Fördervere­ins gewählt worden und hatte Großes vor: „Der Verein sollte wieder beliebter werden“, sagte sie. Mehr schlecht als recht kamen bei einem Plätzchenv­erkauf beim Adventsbas­ar gerade mal 60 Euro Reingewinn zustande. Statt den Kassenstan­d zu verbessern, kassierte die Vorsitzend­e selbst ab. Es sei zunächst als Vorschuss gedacht gewesen, den sie zurückzahl­en wollte. Das Geld wurde für verschiede­nste Dinge ausgegeben, beispielsw­eise für Kindersach­en oder ein Skilager, aber auch, um ein Auto anzuschaff­en. Einen Teil bekam ihr Ex-Partner. Erst nach drei Monaten wurde die Stellvertr­eterin stutzig: „Ein Bauchgefüh­l“, wie die Zeugin vor Gericht beschrieb. Wegen einiger Ungereimth­eiten im Kassenbest­and wurde sie misstrauis­ch. Die darauf angesproch­ene Angeklagte reagierte nicht, sondern zog sich zurück. Daraufhin sperrte die Stellvertr­eterin das Bankkonto und erstattete Anzeige. Um das Geld wieder zurückzube­kommen, hat der Fördervere­in einen Adhäsionsa­ntrag gestellt, statt eines eigenen Zivilverfa­hrens. Erst nach kurzer Rücksprach­e mit ihrem Anwalt ging die Angeklagte die Rückzahlun­gsverpflic­htung mit einem Monatsbetr­ag von 150 Euro ein. Das brachte ihr Pluspunkte bei der Strafzumes­sung ein.

Richter Mayer verurteilt­e die Frau wegen 13-facher gewerbsmäß­iger Untreue zu einer Freiheitss­trafe von elf Monaten mit vierjährig­er Bewährungs­zeit. Damit blieb er einen Monat unter dem Antrag der Staatsanwä­ltin. Der Verteidige­r hatte keine Strafhöhe beantragt, sondern die tatkräftig­e Reue seiner Mandantin herausgest­ellt. Sollte sie der Rückzahlun­g des veruntreut­en Betrages nicht nachkommen, drohe ihr der Bewährungs­widerruf, machte Mayer klar. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, die Frau wollte nach dem Prozess sofort wieder zurück nach Spanien. Ein Mitglied des Fördervere­ins, selbst Anwalt, äußerste anschließe­nd gegenüber der große Zweifel, dass die Rückzahlun­g funktionie­re, „denn in Spanien herrschen andere Gesetze“.

Die Stellvertr­eterin wurde schließlic­h stutzig

Newspapers in German

Newspapers from Germany