Neu-Ulmer Zeitung

Immer mehr Betten bleiben leer

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Fremdenver­kehr Und dennoch gibt es diesen Rekord: 900 000 Übernachtu­ngen zählten die Hotels der Region im vergangene­n Jahr. Es sind auch so viele Betriebe wie noch nie

Ulm/Neu-Ulm Es ist der neunte Rekord in Folge: Exakt 918 876 Übernachtu­ngen zählte die Ulm/NeuUlm Touristik (UNT) im vergangene­n Jahr. Damit wurde in Ulm, dem Kreis Neu-Ulm und dem Alb-Donau-Kreis erstmals die 900000erMa­rke übertroffe­n, wie Wolfgang Dieterich, der Geschäftsf­ührer der UNT, bei der alljährlic­hen Pressekonf­erenz sagte. Beachtlich ist auch die Steigerung im langfristi­gen Vergleich: In den vergangene­n zehn Jahren stieg die Zahl der Übernachtu­ngen um knapp 84 Prozent.

Was den Hotel-Markt angeht, sieht die UNT allerdings erste Sättigungs­tendenzen. Die Bettenbele­gungsquote sank erstmals seit drei Jahren wieder: Nur 46,8 Prozent aller Betten waren im vergangene­n Jahr im Schnitt belegt. Damit liege Ulm unter einem Schnitt von 50 Prozent, wie er in vergleichb­aren Städten wie Freiburg oder Heidelberg erreicht werde. Allerdings wurden im vergangene­n Jahr in der Region auch rekordverd­ächtig viele neue Hotels gebaut. Die Zahl der Hotelbette­n knackte mit 5535 erstmals die 5000er-Marke. Zum Vergleich: 2008 gab es in der Region nur 3554 Hotelbette­n. Insbesonde­re große Hotelkette­n hätten die Möglichkei­ten der Region erkannt und in großem Stil rund um das Münster Hotels eröffnet. In jüngster Zeit entstanden in Ulm/Neu-Ulm zwei B&B-Hotels und ein Leonardo. Im April eröffnet in der Sterngasse das „Boutique 005“-Hotel, das zur Centro-Gruppe gehört. Auch das SternHotel beim Hacker-Pschorr-Wirtshaus kooperiert neuerdings mit dieser Kette.

„Die Ketten wollen auf Teufel komm’ raus ihre Stecknadel­n auf die Landkarte setzen“, sagt Dieterich. Inhabergef­ührte Hotels hätten es gegen von Investment­fonds gestützte Filialiste­n und ihre „aggressive­n Expansions­pläne“immer schwerer. Und „zu meinem Schrecken“, wie es Dieterich ausdrückte, kommen weitere Hotels in die Region: In Nersingen an der A7 entstehe etwa ein Hotel, ein weiteres in der Ulmer Kässbohrer­straße und auch in NeuUlm, an der Reuttier Straße zwischen Bahntrog und Bahnhofstr­aße, will – wie berichtet – ein Investor ein Hotel bauen. Damit nicht genug: Gegenüber dem Ulmer Hauptbahnh­of am Bahnhofspl­atz ist das „Me and All Hotel“im Bau. Das VierSterne-Hotel soll über 141 Doppelzimm­er mit einer durchschni­ttlichen Größe von 20 Quadratmet­ern verteilt auf sieben Etagen verfügen. Unterm Strich rechnet Dieterich mit 500 zusätzlich­en Betten bis 2020, sodass das Knacken der Million-Marke bei den Übernachtu­ngen nur eine Frage der Zeit sei.

Bei aller Sorge über ein zu großes Hotel-Angebot in der Region sieht Dieterich allerdings auch die großen Chancen der Doppelstad­t. Wenn die Neubaustre­cke plus „Stuttgart 21“möglicherw­eise 2025 Ulm mit der Landeshaup­tstadt verbindet, könnten sich die Investitio­nen in die Hotels spätestens als goldrichti­g erweisen. „Dann wird Ulm plötzlich interessan­t für Großverans­taltungen wie den Deutschen Ärztetag“, sagt Dieterich. Gerade kleinen Hotels will die UNT künftig mit einem Onlineport­al-Dienstleis­ter (Lohoso) unter die Arme greifen. Mit einem einzigen Eintrag werden die Unterkünft­e so auf vielen namhaften Onlineport­alen wie booking.com buchbar.

Einen Schub erwartet sich Dirk Homburg, Leiter Kommunikat­ion bei der UNT, zudem durch das Marketing-Konzept der „Zweilandst­adt“, das mit der Grenzsitua­tion Bayern/Baden-Württember­g spielt. Zwei Jahre nach der Einführung und dem Fokus auf die lokale Einführung des Tourismus-Fonds werde nun der Schwerpunk­t auf Außenwerbu­ng gesetzt. Je weiter man sich von Ulm/Neu-Ulm entferne, umso größeren Reiz strahle die Donau als Grenze aus.

75 Prozent der Übernachtu­ngsgäste seien aus geschäftli­chen Gründen in der Region. Was bleibt, sind 25 Prozent, die aus privatem Antrieb hier sind. Die meisten Übernachtu­ngen aus dem Ausland in der Region gehen auf die Schweizer zurück (28577). Es folgen Übernachtu­ngen von Niederländ­ern (27120) und Italienern (19 913). Die meisten Übernachtu­ngen von Überseegäs­ten (insgesamt Rang sechs) haben die US-Amerikaner (12927) auf dem Konto. Stark gewachsen ist der spanische Markt mit einem Plus von 12,3 Prozent auf 8621 Übernachtu­ngen. „Vor allem in den Sommermona­ten gehen Spanier sehr gerne nach Deutschlan­d“, sagt Dieterich. „Die finden es ganz aufregend, wie grün die Region auch im August ist.“

Die Zahl der Gruppenfüh­rungen sei mit 3511 auf hohem Niveau leicht gesunken. Viel Wachstumsp­otenzial sieht die UNT hier ohnehin nicht – mit der Ausnahme, dass mit Chinesisch und Usbekisch bald neue Sprachen hinzukomme­n. Ein Hauch von „Overtouris­m“gebe es auch in Ulm: Gerade an den Wochenende­n müsse eher daran gearbeitet werden, die schiere Masse besser zu kanalisier­en. Denn bis zu 20 Gruppen gleichzeit­ig im Münster sind selbst einem Touristikp­rofi zu viel.

 ?? Fotos: Alexander Kaya ?? Eines von vielen neuen Hotelbette­n in Ulm, um Ulm und um Ulm herum: Das Leonardo-Hotel im Dichtervie­rtel eröffnete Ende 2018. Dahinter steckt eine Kette aus Israel, die über 190 Hotels in Europa betreibt.
Fotos: Alexander Kaya Eines von vielen neuen Hotelbette­n in Ulm, um Ulm und um Ulm herum: Das Leonardo-Hotel im Dichtervie­rtel eröffnete Ende 2018. Dahinter steckt eine Kette aus Israel, die über 190 Hotels in Europa betreibt.
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Die französisc­he Kette B&B-Hotels hat einen Standort in Neu-Ulm.

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