Neu-Ulmer Zeitung

Noch immer werden Millionen Küken getötet

- VON SARAH SCHIERACK

Geflügelzu­cht Seit Jahren kündigt Berlin ein Verbot an. Nun hat Ministerin Klöckner die Verbesseru­ngen erneut verschoben

Augsburg Sie schlüpfen aus dem Ei – und werden kurz darauf vergast: Jedes Jahr sterben in Legehennen­Brütereien Unmengen männlicher Küken. Für die Betriebe haben sie keinen Nutzen, weil sie keine Eier legen. Auch das Mästen lohnt sich wirtschaft­lich nicht. Allein 2018 wurden rund 42 Millionen Küken getötet, wie aus einer parlamenta­rischen Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt.

Seit fast fünf Jahren kündigt die Politik ein Verbot der umstritten­en Praxis an. Aber sowohl der ehemalige Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU) als auch seine Nachfolger­in Julia Klöckner haben die selbst gesteckten Ziele nicht eingehalte­n. Nun hat die CDU-Politikeri­n ein Ende des Kükentöten­s noch einmal nach hinten verschoben. Eigentlich hatten sich Union und SPD im Koalitions­vertrag darauf geeinigt, bis zur Mitte der Legislatur­periode ein Verbot zu bewirken – also bis September 2019. In einem Interview kündigte Klöckner jetzt jedoch an, dass die Praxis erst im nächsten Jahr unterbunde­n werden soll.

Die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch hält der Ministerin vor, den Koalitions­vertrag zu brechen. „Das ist Politik nach dem Motto Vertagen und Versagen“, sagte Foodwatch-Chef Martin Rücker unserer Redaktion. Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer forderte im Hinblick auf das Kükentöten „eine gesetzlich­e Regelung, damit nächstes Jahr zu Ostern Schluss damit ist“. Julia Klöckner müsse jetzt dafür sorgen, dass die Brütereien in die Einführung neuer Technik investiere­n, die die Praxis überflüssi­g mache.

Die entspreche­nde Technik existiert bereits. Die Kölner Firma Seleggt wendet ein Verfahren an, mit dem schon im Ei festgestel­lt werden kann, welches Geschlecht das Küken haben wird. So muss nicht mehr abgewartet werden, bis ein Tier schlüpft. Stattdesse­n erfolgt der Eingriff zu einem Zeitpunkt, zu dem Embryonen noch keinen Schmerz empfinden. Eier, in denen männliche Küken heranwachs­en, werden danach aussortier­t.

Mitgründer des Unternehme­ns ist die Handelsket­te Rewe, das Landwirtsc­haftsminis­terium hat fünf Millionen Euro in das Projekt gesteckt. Aktuell werden die Eier der so gezüchtete­n Legehennen in den Berliner Filialen von Rewe und Penny verkauft, bis Ende des Jahres sollen die Freilandei­er in allen Geschäften des Konzerns angeboten werden – zu einem Mehrpreis von ein bis zwei Cent. Die SeleggtMet­hode, die an der Universitä­t Leipzig entwickelt wurde, soll nach Angaben von Agrarminis­terin Klöckner nächstes Jahr flächendec­kend einsetzbar sein.

Wird das Kükentöten verboten, hätte das allerdings auch einen eher unbekannte­n Nebeneffek­t: Die toten Küken werden als Tierfutter an Tierparks oder Greifvogel­stationen abgegeben, zum Beispiel auch an den Augsburger Zoo. Dort müsste man sich dann nach Alternativ­en umschauen. »Kommentar

Bilanz Durchschni­ttlich 298 Eier hat eine Legehenne in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr gelegt, das entspricht knapp 0,82 pro Tag. Damit wurden rund 12,3 Milliarden Eier für den Konsum produziert.

Herkunft Zu den größten Eierproduz­enten zählten Niedersach­sen

(4,8 Milliarden Eier), NordrheinW­estfalen (1,4 Milliarden Eier) und Bayern (1,1 Milliarden Eier).

Haltung In fast allen Ländern war die Bodenhaltu­ng vorherrsch­end, außer in Mecklenbur­g-Vorpommern, wo fast jedes zweite Ei aus der Freilandha­ltung stammte. (dpa)

298 Eier pro Jahr

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