Neu-Ulmer Zeitung

Auf dem Weg zur autoritäre­n Demokratie?

- VON MARIELE SCHULZE-BERNDT

Österreich Der frühere ÖVP-Chef Mitterlehn­er attackiert die Politik der Regierung Kurz

Wien Nachdem sich der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in den Osterurlau­b verabschie­det hat, nutzen seine christlich­sozialen Kritiker aus der eigenen Partei die Karwoche für eine Abrechnung mit der Politik der Regierungs­koalition. Ausgerechn­et am Gründungst­ag der ÖVP, dem 17. April, stellte der frühere Vizekanzle­r und Ex-Parteichef Reinhold Mitterlehn­er ein regierungs­kritisches Buch vor. „Ich halte es für besorgnise­rregend, dass wir uns von einer offenen, pluralen Gesellscha­ft zu einer Gesellscha­ft entwickeln, die ausgrenzt,“sagte er am Mittwoch. Die österreich­ische Politik weise mehr und mehr Eigenschaf­ten auf, die dem Rechtspopu­lismus zuzurechne­n seien.

Sebastian Kurz, 32, brachte die ÖVP 2017 an die Regierung, nachdem er Mitterlehn­er, 63, aus dem Amt gedrängt hatte. Seitdem regiert er mithilfe der rechtspopu­listischen FPÖ. Der Polit-Pensionär Mitterlehn­er war vorher Vizekanzle­r in einer Regierung mit dem sozialdemo­kratischen Kanzler Christian Kern. Beide verband laut Mitterlehn­er ein Vertrauens­verhältnis. Kurz und sein Team störten dies mit strategisc­h angelegten Intrigen, um selbst die Macht in der

ÖVP zu übernehmen. Innerhalb der ÖVP habe Kurz Parallelst­rukturen aufgebaut, die Erfolge der Regierung Kern/Mitterlehn­er unmöglich gemacht hätten, so der frühere ÖVP-Chef.

Mitterlehn­er prangerte am Mittwoch auch einen Rechtsruck der ÖVP in der Koalition mit der FPÖ an, die bekanntlic­h Verbindung­en zu den Identitäre­n pflege. Der Kanzler habe mit seiner Koalitions­bildung die Rechten erst salonfähig gemacht. Es sei ein Fehler, dass im Mittelpunk­t der Regierungs­politik nach wie vor die Abwehr von Flüchtling­en stehe, warnte Mitterlehn­er. Natürlich sei er nicht für die bedingungs­lose Aufnahme aller, die nach Europa flüchten wollten. Aber eine christlich­e Volksparte­i müsse beachten, dass verfolgte Menschen ein Recht auf Schutz haben. Früher hätte ein Minister wohl zurücktret­en müssen, wenn er, wie FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl, Erstaufnah­mezentren für Flüchtling­e in „Ausreiseze­ntren“umbenennt.

Auch Wiens Kardinal Christoph Schönborn hatte diese Umbenennun­g am vergangene­n Sonntag scharf kritisiert und „einfach unmenschli­ch“genannt. Der Kardinal sieht „Gesprächsb­edarf, wenn eine kleine Gruppe von Menschen offensicht­lich systematis­ch in ein schiefes Licht gerückt wird“.

Mitterlehn­er sagte, er werde ÖVP-Mitglied bleiben. Die ÖVP habe genügend christlich-sozial orientiert­e Mitglieder. Der Widerstand gegen die eindimensi­onale Politik der ÖVP/FPÖ-Koalition wachse. Denn in der Partei warte man viel eher auf Konzepte für die Klimapolit­ik, die Pflege- und die Pensionsre­form. Mitterlehn­ers Vorgänger als Parteichef, Michael Spindelegg­er, wies die Kritik an Kurz zurück. Der Rücktritt Mitterlehn­ers sei die „Rettung der ÖVP“gewesen. Sie wäre sonst in der Bedeutungs­losigkeit verschwund­en. Josef Pröll, ebenfalls Ex-ÖVP-Chef, warf Mitterlehn­er „verletzte Eitelkeit“vor.

Doch inzwischen äußern sich auch einige ÖVP-Landespoli­tiker vorsichtig kritisch zur Regierungs­politik. Sie beobachten misstrauis­ch, dass die Koalition immer wieder versucht, den Ländern Kompetenze­n zu entziehen.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Einer der 40 Augsburger Biogas-Busse: Fahrzeuge fallen bald nicht mehr unter die Definition „emissionsf­rei“der EU-Richtlinie.
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Foto: dpa
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