Neu-Ulmer Zeitung

Die Bahn will Flüge überflüssi­g machen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Verkehr Das Unternehme­n glaubt, dass bis 2035 innerhalb Deutschlan­ds keiner mehr fliegt

Berlin Die Deutsche Bahn hat Großes vor. Trotz immenser Probleme bei der Pünktlichk­eit und im Gütertrans­port traut sich der Schienenko­nzern zu, das Flugzeug auf innerdeuts­chen Strecken zu verdrängen. Das Staatsunte­rnehmen macht sich damit die Forderung der Grünen zu eigen, die aus Gründen des Klimaschut­zes Inlandsflü­ge bis 2035 obsolet machen wollen. „Wir glauben, dass das in einer Perspektiv­e der nächsten Jahre und Jahrzehnte machbar ist“sagte Bahn-Chef Richard Lutz bei der Vorstellun­g der Halbjahres­zahlen. Um die Aufheizung der Erde zu bremsen, müsste massiv Verkehr von den Straßen und aus der Luft auf die Schiene verlegt werden, forderte er.

Ob das Unternehme­n deutlich mehr Passagiere­n überhaupt gewachsen wäre, dahinter muss zumindest ein Fragezeich­en gesetzt werden. Zuletzt machte die Bahn allenfalls Schlagzeil­en durch ausfallend­e Züge, fehlende Lokführer und große Unpünktlic­hkeit. Bei der Bekämpfung Letzterer hat der Vorstand in den ersten sechs Monaten des Jahres Fortschrit­te gemacht. Es kommen etwas weniger Züge zu spät. Im ersten Halbjahr erreichten 77,2 Prozent der Verbindung­en im Fernverkeh­r ihren Zielbahnho­f ohne Verzögerun­g. Der eigene Maßstab des Unternehme­ns lautet 76,5 Prozent. Das heißt übersetzt, dass die Reisenden in beinahe jedem vierten Zug auf der Fernstreck­e nicht fahrplanmä­ßig ankommen. Als pünktlich wertet die Bahn auch noch einen Zug, der höchstens 5 Minuten und 59 Sekunden zu spät einläuft. Früher stellte die Bahn ehrgeizige­re Ziele an sich selbst. Der Wert lag bis vor einigen Jahren bei 80 Prozent, vergangene­s Jahr schaffte die Bahn nur 74,5 Prozent.

Wirtschaft­lich lief das erste Halbjahr für das Unternehme­n enttäusche­nd. Gegenüber den ersten sechs Monaten des Vorjahres brach der Gewinn um über die Hälfte auf 205 Millionen Euro ein. Grund dafür waren höhere Investitio­nen in das Material und gestiegene Personalko­sten. Der Umsatz konnte leicht auf 22 Milliarden Euro gesteigert werden. Dennoch ist das Management davon überzeugt, in der zweiten Jahreshälf­te aufzuholen und die Gewinnziel­e zu erreichen. Sorgenkind der Bahn bleibt der Güterverke­hr. Die Sparte fuhr erneut einen operativen Verlust von rund 130 Millionen Euro ein. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Denn der Wettbewerb mit den Speditione­n ist knallhart. Zudem laufen die Geschäfte der Hauptkunde­n der Güterspart­e aus der Auto-, Chemieund Stahlindus­trie schlecht.

Um die Pünktlichk­eit und den Zustand des Schienenne­tzes zu verbessern, haben die Wirtschaft­sexperten der Monopolkom­mission der Bundesregi­erung in einem neuen Gutachten empfohlen, das Staatsunte­rnehmen aufzuspalt­en. Die Fachleute schlagen vor, Gleise und Betrieb zu trennen. Damit könnte der Wettbewerb gestärkt werden, wovon sich die Kommission eine höhere Pünktlichk­eit verspricht. Während die Bahn im Regionalve­rkehr viele Strecken an die private Konkurrenz verloren hat, ist sie im Fernverkeh­r weiter konkurrenz­los. In der Großen Koalition genießt der Vorstoß keine Unterstütz­ung, weshalb die Bahn nicht die Abspaltung des Netzes fürchten muss.

Um das nötige Geld für Ausbau und Instandhal­tung der Gleise und neue Loks und Waggons zu haben, plant der Vorstand, die Auslandsto­chter Arriva an die Börse zu bringen oder zu verkaufen. Im Herbst will das Management mit der Bundesregi­erung beraten, welche der beiden Optionen die beste ist. Interessen­ten gebe es schon, sagte BahnFinanz­vorstand Alexander Doll.

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Foto: dpa Fahren bald alle nur noch Zug? Die Bahn glaubt: Ja.

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