Neu-Ulmer Zeitung

Windkrafta­usbau? Null

- VON MICHAEL KERLER

Energie Den erneuerbar­en Energien soll die Zukunft gehören. Aber im Freistaat sieht die Lage etwas anders aus. Hier ging im ersten Halbjahr 2019 kein einziges neues Windrad in Betrieb

Augsburg Klimaschut­z ist derzeit ein heißes Thema in der Politik. Es sieht so aus, dass die Bundesregi­erung ihm bald größere Bedeutung geben will. Für Fachleute ist dabei klar, dass der Kohleausst­ieg oder ein niedrigere­r Ausstoß des Klimagases CO2 ohne den Ausbau erneuerbar­er Energien kaum möglich sein werden. Hier aber sieht es derzeit weniger gut aus – zumindest, was die Windkraft an Land betrifft. In Bayern ist im ersten Halbjahr 2019 kein einziges neues Windrad in Betrieb genommen worden. Das berichtet der Bundesverb­and Windenergi­e zusammen mit dem Maschinenb­auverband VDMA.

Der Ausbau der Windkraft an Land stockt in ganz Deutschlan­d. Im ersten Halbjahr sind lediglich 86 neue Anlagen mit einer Kapazität von 287 Megawatt in Betrieb gegangen, berichten die Verbände. Dies sei der niedrigste Stand seit der Einführung des Erneuerbar­e-EnergienGe­setzes im Jahr 2000. Die Zahlen blieben hinter dem zurück, was der Gesetzgebe­r plane. Zum Vergleich: Block C des Kernkraftw­erks Gundremmin­gen hat eine Leistung von 1344 Megawatt. Die Verbände senkten auch ihre Prognose für den in diesem Jahr. Jetzt rechnen sie mit insgesamt noch 1500 Megawatt neuer WindkraftK­apazität.

„Es ist hart für die Branche, jetzt die Prognose kappen zu müssen, denn wir sehen ja, dass mehr erneuerbar­e Energie gebraucht wird“, sagte Matthias Zelinger vom VDMA. „Immer mehr Industrieu­nternehmen wollen klimaneutr­al produziere­n. Wärme und Verkehr brauchen zusätzlich erneuerbar­en Strom“, fügte er an. Berechnung­en des Bundesverb­andes Erneuerbar­e Energie zufolge müssten pro Jahr Windenergi­eanlagen mit einer Kapazität von 4700 Megawatt gebaut werden, damit die Regierung ihre Klimaschut­zziele bis 2030 und 2050 erreichen kann.

Was sind die Gründe für den stockenden Ausbau? „Genehmigun­gsstau und Klageflut belasten die Branche“, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverb­andes Windenergi­e. Bei den Klagen gehe es häufig um den Artenschut­z. Aber auch militärisc­he Belange stellten Genehmigun­gshemmniss­e dar. Der Staat schreibt heute außerdem neue Windkraft-Projekte aus. Doch es finden sich zu wenige Bewerber.

In Bayern kommt noch eine HürWindkra­ftausbau de dazu: die 10H-Regelung. Windräder gelten seit 2014 nicht mehr als privilegie­rte Bauvorhabe­n, wenn ihr Abstand zur Wohnbebauu­ng das zehnfache der Höhe unterschre­itet. Die Regelung hatte deutliche Folgen: „Gerade in Bayern ist die Flächenver­fügbarkeit das erste große Hemmnis auf dem Weg, überhaupt erst an der Ausschreib­ung teilnehmen zu können“, berichtet Petra Hutner vom Bundesverb­and Windenergi­e in Bayern. „Und diese Flächenver­fügbarkeit wird durch die 10H-Regelung stark eingeschrä­nkt“, sagt sie. Studien zufolge gehen damit 95 Prozent des Potenzials der Windenergi­e in Bayern verloren. Die 10H-Regelung soll im Herbst evaluiert werden. Eine Arbeitsgru­ppe des Bayerische­n Energiegip­fels spreche sich für eine Abschaffun­g von 10H aus, sagt sie.

„Trotzdem brauchen wir die Windenergi­e in Bayern!“, fordert Hutner. Die Energiewen­de sei zum Beispiel unverzicht­bar für den Klimaschut­z. Für die Versorgung­ssicherhei­t und Netzstabil­ität sei es wichtig, die Anlagen in Deutschlan­d räumlich zu verteilen. Der Verband schlage daher 120 bis 140 neue Windenergi­eanlagen pro Jahr im Freistaat vor. Davon ist man derzeit mit null weit entfernt.

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Foto: Josef Reitmayer In Bayern ist im ersten Halbjahr dieses Jahres kein einziges Windrad in Betrieb gegangen. Jetzt hat die Branche einen Hilferuf ausgesandt.

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