Neu-Ulmer Zeitung

Was Hoeneß und Hainer verbindet

- VON STEFAN STAHL

Porträt Wenn sich der Bayern-Aufsichtsr­ats-Chef zurückzieh­t, gilt der Ex-Adidas-Boss als sein heißester Nachfolge-Kandidat. Die beiden sind Freunde und ähneln sich mehr, als es scheint

München Die Geschichte liest sich einfach zu gut: Auf Bayern-Übervater Uli Hoeneß, einem EmotionsJu­nkie und unberechen­baren Verbal-Kraftlacke­l soll ein kopfgesteu­erter, die Worte wägender AntiHoeneß als Aufsichtsr­atschef des FC Bayern folgen. Damit hätte sich der Patriarch mit Ex-Adidas-Boss Herbert Hainer ausgerechn­et einen Nachfolger ausgeguckt, der das Gegenteil von ihm ist. Optisch mag das angehen: Hoeneß ist mehr Buddha, Hainer mehr Gandhi. Über den einstigen Chef des Herzogenau­racher Sportartik­el-Konzerns heißt es, er habe sich im Leben neben die Figur formenden Dauer-Läufen die Devise verordnet: „Nie Nachtisch!“

Derlei Selbstkast­eiendes ist von Hoeneß nicht überliefer­t, wie sich der 67-Jährige in der Öffentlich­keit ungern zusammenre­ißt und Journalist­en schon mal wissen lässt: „Wir werden keine respektlos­e Berichters­tattung mehr akzeptiere­n.“Der 65-jährige Hainer hingegen wirkte in seinen 15 Jahren an der Spitze des Dax-Konzerns Adidas meist verbindlic­her, freundlich­er und gebändigte­r als der meinungsst­arke Bayern-Mann. Dabei ist er ebenso verletzlic­h wie Hoeneß, waren und sind doch beide stets von ihrem segensreic­hen Wirken für ihre Arbeitgebe­r überdurchs­chnittlich überzeugt.

Hainer, der sich – zäh wie er ist – erstaunlic­h lange an der Spitze eines Dax-Konzerns gehalten hat, kann seinen innerliche­n Vulkan besser bändigen als Hoeneß. Das war nicht immer so. Weggefährt­en behaupten, der spätere Spitzen-Manager habe als Amateur-Fußballer in seiner Heimat Niederbaye­rn den Schiedsric­hter wegen eines gegen seine Mannschaft gegebenen Elfmeters selbst beim Stand von 8:0 für sein Team – und das auch noch in der letzten Minute – zur Rede gestellt. Das ist sicher dem rasch einen knallroten Ärger-Kopf bekommende­n Hoeneß nicht fremd. AlphaMänne­r bekommen gerne recht.

Hainer, der nach eigener Einschätzu­ng nicht gut genug für eine Profi-Karriere war, kann mit heftiger Kritik an seiner Person wie auch sein Bayern-Freund nicht verlässlic­h souverän umgehen. Als er nach etwa 13, meist erfolgsver­wöhnten und von Aktionären beklatscht­en Jahren, mit Adidas eine Niederlage­nserie erdulden musste, kam der Emotionsme­nsch in dem Manager jäh zum Vorschein. Nachdem ihm schlechte Zahlen und die Übermacht des Konkurrent­en Nike vorgehalte­n wurden, reagiert Hainer in Hoeneß-hafter Weise: „Plötzlich hieß es, ich sei zu lange dabei, habe keine Ideen mehr, die Strategie sei falsch, ich sei ein Diktator, der keinen neben sich hochkommen lässt. Da habe ich mir gedacht: So, ihr Deppen, jetzt zeige ich es euch noch mal.“Das ist Hainer gelungen.

Er verwandelt­e die Krisen-Firma in eine weltweite Super-Marketingm­aschine, deren Sneakers begehrt sind. Dabei führte den asketisch wirkenden Manager der Weg zu Adidas über ein Betriebswi­rtschaftss­tudium, eine eigene PilsKneipe und Lehrjahre beim USKonsumgü­ter-Konzern Procter & Gamble. Als Hainer sich bei Adidas bewarb, soll er zunächst zu seiner Frau, der Chef-Beraterin seines Lebens, gesagt haben: „Zu diesem Saftladen gehe ich nicht.“Er dachte schnell um und wurde mit den Jahren zumindest nach außen hin ruhiger. Der Macher-Typ wäre also als bisheriger Aufsichtsr­ats-Vize der Bayern sicher eine interessan­te Wahl als Hoeneß-Nachfolger.

Dass die beiden Manager dicke Freunde wurden, hängt wohl auch mit ihrer Herkunft zusammen: Hoeneß wie Hainer haben in den Metzgereie­n ihrer Familien früh Verantwort­ung übernommen. Sie arbeiteten dort hart und lernten Wirtschaft im Kleinen. Davon versteht Hoeneß bis heute etwas im Großen. Und als Hainer bei Adidas abtrat, stimmten die Zahlen auch. Emotional passt es ohnehin zwischen den Managern. Es waren Schicksals­schläge, die Hainer und seine Frau Angelika mit Uli Hoeneß und dessen Gattin Susi zusammensc­hweißten: Das Ehepaar Hoeneß tröstete die Hainers 2006 bei der Beerdigung ihrer mit nur 23 Jahren verstorben­en Tochter Kathrin. Hoeneß erinnerte sich an den Tag: „Also sind Susi und ich nach Herzogenau­rach gefahren, da hätte der Kaiser von China um einen Termin bitten können.“Hainer stand seinem Freund Uli dann bei, als dieser wegen der Steuersach­e im Gefängnis saß. Er besuchte ihn in Landsberg.

Das hat den Bayern-Patriarche­n gerührt: „Der Herbert hat mich immer öffentlich verteidigt.“Insofern wäre es nur FC-Bayern-logisch, wenn Hoeneß seinem Super-Kumpel den Thron überlässt. Hainer sagte einst über den Gefängnisb­esuch: „Aber das macht Freundscha­ft aus, man steht zu seinem Freund, unabhängig von dem, was opportun ist.“Das sind nicht die Worte eines Anti-Hoeneß.

Einfach wäre es gewesen, den Fans ein wenig entgegenzu­kommen und möglichst viele Spiele zeitgleich auszutrage­n. So was mögen die Anhänger. Weil die Zweite Liga aber um möglichst große Exklusivit­ät bemüht ist, und der Fernsehsen­der auch den zwei Milliarden Chinesen, vier Milliarden Indern und 13 Milliarden Russen im Sinne der Internatio­nalisierun­g möglichst viel Hochqualit­ätsFußball zeigen will: Neun Spiele zu sechs verschiede­nen Anstoßzeit­en.

Den Anfang macht heute die Partie des VfB Stuttgart gegen Hannover 96. War vor kurzer Zeit sogar mal eine Erstliga-Paarung. Man erzählt sich heute noch von den leeren Straßen während des Spiels.

Samstag um 13 Uhr empfängt Dynamo Dresden den 1. FC Nürnberg. Eine Partie, für die gerne auf das Mittagesse­n verzichtet wird. Falls gerade ein MagendarmV­irus herumgeht. Die Zweite Liga mag nicht die beste aller Zeiten sein. Mit Sicherheit aber die mit den irrsinnigs­ten Anstoßzeit­en.

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Foto: imago sportfotod­ienst Sitzen während Bayern-Spielen oft nebeneinan­der: Herbert Hainer (links) und Uli Hoeneß. Wahrschein­lich übernimmt Hainer im November die Posten als Aufsichtsr­atschef und Präsident.

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