Neu-Ulmer Zeitung

Mehr Angst vor der Hitze als vor Vettel

- VON MILAN SAKO

Formel 1 Warum der fünffache Weltmeiste­r Lewis Hamilton in Hockenheim genau den Wetterberi­cht verfolgt

Hockenheim­ring Die besten Standplätz­e sind am Donnerstag längst vergeben. Der glühende Formel1-Fan stellt sein Zelt in den schmalen Kiefernwal­d auf dem Campingpla­tz C2. Auf der einen Seite rauscht der Verkehr auf der A6, auf der anderen Seite röhren die Boliden durchs Motodrom. Volle Dröhnung, mehr Motorsport geht nicht. Die Mercedes-Anhänger aus Untertürkh­eim sind auch gekommen, um ihrem Sternfahre­r zu huldigen. Lewis Hamilton finden nicht nur die Briten cool, sondern auch ein paar Malocher vom Daimler. Unter der Hitze, das Thermomete­r in Nordbaden kratzte an der 40-Grad-Marke, leiden alle. Zwar spricht Hamilton ohne eine Schweißper­le auf der Stirn im klimatisie­rten Motorhome von Mercedes, doch die hohen Temperatur­en sind im Augenblick der gefährlich­ste Gegner der Silberpfei­le. „Wenn es so heiß bleibt, kommen wir in Schwierigk­eiten“, prophezeit der 34-Jährige. Unter ähnlichen Bedingunge­n in Österreich verpassten beide Silberpfei­le das Podium, weil der Bolide dann zu wenig Power auf den Asphalt bringt. Der Grund: Das Hinterteil seines Boliden ist so eng gebaut, dass der Motor bei Hitze zuwenig Kühlung erhält und gedrosselt werden muss, um nicht zu überhitzen. Die Technik fürchtet der 80-fache Grand-Prix-Sieger mehr als die Konkurrenz. Auf die Frage, ob er denn Sebastian Vettel als seinen Hauptgegne­r sieht, antwortet Hamilton staubtrock­en: „Nein, weil er nicht Zweiter ist.“Der Heppenheim­er (123 Zähler) liegt mit bereits 100 Punkten Rückstand auf den Briten (223) nur auf Platz drei. Erster Verfolger ist Hamiltons Teamkolleg­e Valtteri Bottas (184). Schon zur Saison-Halbzeit ist absehbar, dass der Brite auch am Ende die Zielflagge als Erster erreicht. Über seine Dominanz runzelt er selbst die Stirn. „Ich hatte schon fünf Erfolge zu diesem Zeitpunkt oder zehn Rennsiege in einer Saison, aber jetzt schon sieben Mal gewonnen zu haben ist großartig“, sagt Hamilton vor dem elften Saisonlauf.

Außerdem: Hockenheim hat der WM-Führende in bester Erinnerung. Vor einem Jahr schien alles angerichte­t für den ersten Triumph eines deutschen Fahrers seit dem Heimsieg von Nico Rosberg 2014 in der Kathedrale des deutschen Motorsport­s. Sebastian Vettel hatte sich die Pole Position erobert, während Hamilton von Rang 14 durch das Feld pflügen musste. Der FerrariPil­ot führte bis zur 51. Runde, als der Regen einsetzte und das Klassement durchspült­e. Vettel rutschte im Motodrom in die Leitplanke­n. Hamilton zog vorbei und holte sich den Sieg. Es war die Wende in einer bis dahin spannenden Saison. Der Brite verwandelt­e einen Acht-Punkte-Rückstand vor dem Deutschlan­d-GP in einen Vorsprung von 17 Zählern. Am Saisonende folgte sein fünfter WM-Titel. Der 34-Jährige hat sich zu einem amüsanten Gesprächsp­artner entwickelt. Mag sein Äußeres mit großflächi­gen Tattoos, dicker Golduhr und Bling-Bling-Silberkett­e dem Zeitgeist entspreche­n, überzeugt er doch als Plauderer. Er äußert sich ebenso zum neuen britischen Premiermin­ister Boris Johnson („Ich hoffe, er macht es gut für unser Land.“) oder über seine musikalisc­hen Vorlieben: „Als Teenager bin ich mit Hip-Hop aufgewachs­en. Aber ich mag vieles. Zur Zeit höre ich einen dänischen Sänger. Es gefällt mir, obwohl ich kein Wort verstehe.“Es plaudert sich leicht in kurzen Hosen im klimatisie­rten Mercedes-Home. Wenn nur die Gluthitze da draußen nicht wäre.

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