Neu-Ulmer Zeitung

Mörder von Suppingen muss lebenslang in Haft

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Prozess Der 40-Jährige hat früh gestanden, dass er seine Frau erstochen hat. Doch die Richter erkennen falsche Fährten – und zeichnen nach, was wirklich geschehen ist

Ulm Im Mordfall von Suppingen hat die Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts Ulm am Freitagnac­hmittag am sechsten Verhandlun­gstag das Urteil gesprochen. Ein 40-jähriger Russlandde­utscher ist wegen Mordes an seiner 30-jährigen Frau zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt worden.

Damit folgte das Gericht nach einer intensiven Beweisaufn­ahme dem Antrag der Staatsanwä­ltin. Ihrem zusätzlich­en Antrag, eine besondere Schwere der Schuld festzustel­len, folgte das Gericht allerdings nicht. Auch nicht dem Antrag des Verteidige­rs, der für eine Verurteilu­ng wegen Totschlags zu maximal zehneinhal­b Jahre plädierte. Schließlic­h, so der Verteidige­r, habe sein Mandant aus schierer Verzweiflu­ng im Affekt gehandelt. Ausgelöst habe die Tat die eingereich­te Scheidung, von der sein Mandant kurz vor der Entlassung aus dem Gefängnis wie aus heiterem Himmel erfahren habe. In Haft saß der heute 40 Jahre alte Mann dort wegen Körperverl­etzung und Beleidigun­g.

Nachdem der Angeklagte bei den polizeilic­hen Verhören monatelang geschwiege­n und sich auch gegenüber den Gutachtern nur wortkarg geäußert hatte, begann schon der erste Prozesstag im Juni mit einem Paukenschl­ag. In einem Schreiben, das der Verteidige­r im Schwurgeri­chtssaal vorlas, gab der 40-Jährige zu, seine Frau erstochen zu haben.

Die Schilderun­gen der näheren Umstände der Tat ergaben jedoch bei der Beweisaufn­ahme ein anderes Bild: „Er legte uns da falsche Spuren“, sagte der Vorsitzend­e Richter in seiner Urteilsbeg­ründung. Sämtliche dieser falschen Spuren konnten widerlegt werden. Das Gericht zeichnete ein anderes Bild als der Verteidige­r.

Der Angeklagte, so die Richter, habe nur seine drei Kinder, aber nicht seine Frau geliebt. Er habe sie über Jahre hinweg wie ein Objekt behandelt. Als er 2018 wieder einmal im Gefängnis saß, habe die Frau die Gelegenhei­t genutzt, um sich endgültig von dem schwer alkoholsüc­htigen Mann zu trennen. Daraufhin habe dieser im Gefängnis immer wieder Todesdrohu­ngen gegen die Frau ausgesproc­hen.

Ein behandelnd­er Arzt aus der Suchtbehan­dlung berichtete im Zeugenstan­d: „Das musste man sehr ernst nehmen.“Nach der Haftentlas­sung verhielt sich der Angeklagte sehr beherrscht. Er zog zu seiner Mutter in einen Nachbarort von Laichingen und ersuchte trotz Kontaktver­bots immer wieder um Gespräche mit seiner baldigen ExFrau, um einige Dinge zu regeln. Es ging um Geld und seine geliebten Kinder, wobei die Gespräche offensicht­lich immer eskalierte­n.

Der Mord sei von langer Hand geplant gewesen, hob der Vorsitzend­e Richter bei der Urteilsbeg­ründung hervor und wies auf die exakten Planungen des Mannes hin. Seine Kinder sollten in die Tat nicht involviert werden. Deshalb wartete der 40-Jährige einen Tag ab, an dem diese bei den Großeltern übernachte­ten: Den 2. November 2018. Der Mörder wusste etwa, wann seine Frau am frühen Abend heimkam, sie war allein im Haus. Der Mann musste ein Handicap mit einplanen. Denn er hatte aus einer Suchtklini­k flüchten wollen, indem er aus dem Fenster sprang. Der Mann, der flaschenwe­ise Wodka trank und auch morphinart­ige Opioide nahm, erlitt dabei einen Fersenbruc­h. Fortan muss er im Rollstuhl sitzen und sich auf Krücken bewegen.

Deswegen ließ er sich am Spätnachmi­ttag des 2. November von einer Schwester nach Laichingen fahren. Von dort nahm er den Bus nach Suppingen, wo er genug Zeit hatte, den Mord vorzuberei­ten. Zunächst wartete er in einem Stadel auf den richtigen Zeitpunkt, in ein Kellerfens­ter einzubrech­en. Im Haus wartet er dann auf seine Frau, die gegen 19 Uhr die Wohnung betrat. Es war ein kalter Abend. Die Frau wickelte sich eine Decke um den Oberkörper und ging zur Toilette. Da schlug der Killer zu: Er öffnete die Tür und stach auf die überrascht­e Frau ein, die in dem engen Raum keine Chance zur Gegenwehr hatte. Sie sank, immer noch mit der blutenden Decke umhüllt, zu Boden und starb.

Der Täter verließ das Haus, eine Überwachun­gskamera filmte ihn, wie er sich im Rollstuhl in Richtung Laichingen querfeldei­n bewegte. Kurz vor Mitternach­t traf er im Laichinger Zentrum ein. Als sei nichts geschehen, bat er zwei Jugendlich­e, in der nächsten Kneipe zwei Flaschen Bier für ihn zu holen, was diese taten: „So ein netter Mann im Rollstuhl“, sagen sie im Zeugenstan­d bei der Beweisaufn­ahme aus. Der Täter bezahlte das Bier und gab Trinkgeld, bevor er verschwand. Zielort: Die Wohnung der Mutter, wo er später festgenomm­en wurde.

Bluttat war detaillier­t und von langer Hand geplant

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Symbolfoto: Alexander Kaya Ein 40 Jahre alter Mann ist von der Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts Ulm zu lebenslang­er Haft verurteilt worden.

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