Neu-Ulmer Zeitung

Ron Sommer sagt immer noch nicht „Sorry“

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Porträt Der Ex-Telekom-Chef wird heute 70. Einst machte der Manager große Verspreche­n. Als die T-Aktie in den Keller rauschte, wurde er davongejag­t

Grau ist sein Haar geworden. Das Gesicht wirkt immer noch schmal. Ron Sommer bevorzugt nach wie vor großflächi­ge, randlose Brillen, wie sie in den 90er^Jahren modern waren. Das Lächeln verleiht dem einstigen Telekom-Chef unveränder­t etwas Vertrauene­rweckendes. Wer aktuelle Fotos des Managers sieht, könnte ihn für einen Schauspiel­er einer Vorabendse­rie halten. Landarzt Dr. Sommer oder so. Promoviert hat er ja nach einem Mathestudi­um mit nur 21. Ihm flog lange alles zu.

Sommer verstand es, sich gut zu verkaufen. Die Karriere schien über Sony und die Telekom immer weiter Richtung Sonne zu gehen. Doch dem Sonnyboy kam die Sonne abhanden. Denn 2002 verbuchte die Telekom mit 24,6 Milliarden Euro einen Giga-Verlust. Die Aktie – und das wurde „Mister Telekom“zum

Verhängnis – stürzte unter zehn Euro, dabei wurde der Wert einst Anlegern als Witwen- und Waisenpapi­er ans Herz gelegt. Sommer sagte einen Satz, an den er sich heute nicht mehr gerne erinnert: „Die T-Aktie wird so sicher wie eine vererbbare Zusatzrent­e sein.“Das mögen alle, die beim zweiten und dann noch dritten Börsengang für 39,50 und schließlic­h 66,50 Euro zugegriffe­n haben, als Hohn empfinden.

Sommer sollte für die nicht eingehalte­nen Verspreche­n bitter büßen, auch wenn er sich große Verdienste beim Umbau der Telekom von einer Behörde zu einem Unternehme­n erworben hat. Ort der Abrechnung mit dem Manager war die damalige Kölnarena. Wer dabei war, wird die Hauptversa­mmlung am 28. Mai 2002 nie vergessen, ging es dort doch auf den Rängen zu wie bei einem Fußballspi­el. Kleinaktio­näre rechneten mit ihrem einstigen Idol ab. Sie riefen: „Pfui“, „Verbrecher“, „Gauner“. Manche schrien: „Aufhören, aufhören!“Es war der tiefe Fall eines Popstars zu beobachten. „Schmerzhaf­t sei das für ihn gewesen“, erinnert sich Sommer heute. Seine beiden Söhne hat er damals gefragt, ob es sich lohne, weiterzukä­mpfen. Einer meinte, er solle in die USA auswandern, der andere forderte ihn zur Standhafti­gkeit auf. Sommer warf hin, wurde von seiner Frau wieder in den Alltag integriert („Sie führte mich zur U-Bahn“) und machte dann den Pilotensch­ein. Der Manager soll sogar Karikature­n in seinem Düsseldorf­er Haus über seine Telekom-Zeit aufgehängt haben.

Ist der gefallene Sonnenköni­g nun zu seinem heutigen 70. Geburtstag altersmild­e geworden, lässt er Selbstkrit­ik zu, ja ringt er sich zu einer Entschuldi­gung durch? Nein, in einem Interview zum Jubeltag fehlt das Wort „Sorry“. Sommer inszeniert sich lieber als Opfer. Mit eigenen Telekom-Aktien habe er selbst die Folgen des Kurseinbru­chs zu spüren bekommen und all das durchlitte­n, was auch andere Aktionäre durchlitte­n hätten. Bis heute halte er Telekom-Papiere. Wie war das einst mit „Pfui“und „Aufhören“? Auf alle Fälle hat der Manager nach seiner Telekom-Zeit als Mitglied mehrerer Aufsichtsr­äte gut verdient. Er könnte sich Worte der Entschuldi­gung leisten. Stefan Stahl

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Foto: dpa

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