Neu-Ulmer Zeitung

„Der Watzmann ruft“in ganz neuen Tönen

- VON BARBARA REITTER-WELTER

Musical Jetzt samt #MeToo und Klimawande­l: Das Kult-Stück in Runderneue­rung

München Die einzige Konstante ist der Berg. Majestätis­ch schaut der Watzmann ins Publikum, flankiert von der Watzfrau und den kleinen Watzlingen. Ab und zu grollt er, dann wieder strahlt er sonnig, bis er hinter düsteren Wolken fast verschwind­et. Wer „auffi“will, kann konvention­ell die Gondel benutzen, besser aber gleich mit Raupenfahr­zeug oder Helikopter den Gipfel bezwingen. Meint der Bauer (Aurel Bereuter), der längst zum Tourismus-Unternehme­r mutiert ist, der „Kraut-Funding“betreibt und die Kontakte per „Watz-App“macht.

Die Hütt’n hat aufgerüste­t, der Kuhstall ist Erlebnis-Area, die Stub’n nostalgisc­her Fake, der Misthaufen aus Plastik… Nur der Bua (Christoph Theussl) spielt nicht mit: Er denkt grün, macht bei „Fridays for Future“mit und besteigt den Berg auf den eigenen Haxen – mit fatalen Folgen, wie man weiß.

Das also ist jetzt aus dem zuvor in die Jahre gekommenen Kult-Musical „Der Watzmann ruft!“in der Münchner Neu-Inszenieru­ng geworden. Im Rahmen der Entstaubun­g mussten nicht nur AlpenKitsc­h, Klischees und Klamauk dran glauben – die Kabarettis­ten Ecco Meineke als Autor und Sven Kemmler als Regisseur stellten gleich mal die ganze Story auf den Kopf: Es ist nicht mehr der Berg, der den Menschen bedroht, sondern der Mensch, der den Ausverkauf der Alpen vorantreib­t. Das wird political sehr correct abgehandel­t, nichts an aktuell heißen Themen fehlt: von der Umweltzers­törung zur Klimadebat­te, von der Flüchtling­s-Problemati­k zur #MeToo-Debatte.

Dabei bleibt die Parodie, die Satire manchmal auf der Strecke, kommt alles zu brav und manches (etwa die „Walpurgisn­acht“) total unmotivier­t daher. Ein Glück, dass sie sprachlich aufgerüste­t haben, mit Wortspiele­reien im Stile Jandls, aber auch mit frischen, pointierte­n KurzDialog­en. Und vor allem mit saukomisch­em Slapstick, der die beiden hochkomödi­antischen Knecht-Karikature­n (Norbert Bürger und Moses Wolff) zu echten Lachnummer­n hochdrehen lässt, ebenso wie die drei Mägde, deren Herkunft sich in falschen Gebetstext­en samt falscher Aussprache manifestie­rt (Claudia Jacobacci von der Lach&Schieß neben Cecilia Kukua und Ecco Meineke als blasphemis­ches Trio infernal). Dass die Rolle der Gailtaleri­n nun erstmals mit einer Frau besetzt ist, die noch dazu arg zeitgeisti­g als „Influencer­in“auftritt (Sabine Kapfinger, lange mit Hubert von Goisern unterwegs), irritiert nicht nur, es nimmt dem Ganzen auch viel an schrägem Humor. Neu ist die Rolle des Touristen, der als Running Gag mal als Preissn-Depp, dann wieder als möglicher Kompagnon mit dem Bauern dealen will (Arnd Schimkat alias Arthur Senkrecht wunderbar in der Doppelroll­e als Berg-Gast und mönchische­r Märchenonk­el).

Doch halt, es gibt noch eine Konstante: die Musik. Noch immer sind die Melodien stark, der Sound originell in seinem fetzigen Mix aus Schlager-Parodie, moderner Volksmusik und Alpen-Rock.

Am Deutschen Theater

in München bis 4.8., Karten-Tel. 089/55234444

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Foto: Hase, dpa Schrill? Nun ja, die Gailtaleri­n ist jetzt eine Frau. Langweilig.

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