Eine Wucht, diese Frau
Pop Noch nie war sie größer: Allein in München feierten jetzt 120000 Zuschauer Pink. Was macht sie mit bald 40 zur coolsten Emanze in den Hitparaden?
München Natürlich fliegt sie zu Beginn gleich mal in die Arena ein. Pinks Konzerte gelten schließlich als mit die eindrucksvollsten LiveSpektakel im Pop. Aber eben nicht, weil hier besonders viel Feuerwerk abgefackelt, besonders mächtige Multimedia-Inszenierungen aufgeführt, ein besonders großes Tänzerheer antreten würde – das überlasst sie den Prinzessinnen der Branche. Pink leistet das Wesentliche, Artistische selbst und setzt Maßstäbe. Und wie sie anfangs also sowohl am Freitag wie am Samstag hoch an einem Kronleuchter turnend ins Münchner Olympiastadion Einzug hält – so stürzt und wirbelt sie gegen Ende des zweistündigen Programmes an Seilzügen sogar über die jeweils 60000 Zuschauer hinweg durch die ganze Arena. Und hat ziemlich eindeutig ziemlich viel Spaß dabei. Pink eben: Macht, was sie will, und erzielt damit Wirkung.
Kein Wunder jedenfalls, dass sich etwa eine Helene Fischer für ihre eigenen Shows wie so manches andere auch die Flug-Nummer im Hüftgurt von ihr abgeschaut hat. Bloß, dass Pink eben alles mit einer ganz anderen, geradezu urwüchsigen Wucht daherkommt. Und diese Wucht ist es ohnehin, die die eben so gar nicht wie der Typ Pop-Sternchen oder Musical-Darstellerin daherkommende Amerikanerin zu einem Star gemacht hat, die nun auch die Stadien in aller Welt füllt.
Dazu passt schon diese rund 20 Jahre alte Geschichte: Alecia Moore nannte sich damals schon Pink, weil sie im Kindergarten von Jungs wegen ihres schamvollen Errötens als pink gehänselt worden war – und weil sie diese Schwäche mit 15 in ein Markenzeichen der Stärke und Selbstbehauptung verwandelte, als sie im Tarantino-Film „Reservoire Dogs“die coole Figur des Mr. Pink entdeckte. Diese Pink also wurde, nachdem ihre sehr musikalische Familie zerbrochen und sie von der Schule geflogen war, in ihrem Stammklub in Philadelphia, in dem sie dank Freunden immer mal wieder zwischendurch einen Song singen durfte, für eine Girl-Group gecastet. Woraus aber nicht wirklich etwas wurde. Woraufhin sie aber als erste weiße Künstlerin das R&B-Label LaFace Records unter Vertrag nahm – denn diese Stimme hatte vielfältig Potenzial! Und dann, das erste Album war ganz okay gelaufen, entdeckte Pink im Adressbuch einer befreundeten Maskenbildnerin die Nummer von Linda Perry. Die war einst als Sängerin der 4 Non Blondes eine ihrer Heldinnen gewesen, hatte sich nach dem Erfolg aber ins Songschreiben und Produzieren für andere zurückgezogen. Und Pink: Quatschte ihr einfach auf den Anrufbeantworter, Sachen wie Perry schulde ihr was, weil sie einst schon morgens so laut deren „What’s Going On“bei offenem Fenster habe hören und mitsingen müssen, wegen ihr also Ärger mit der Polizei bekommen habe. Und Linda Perry hatte da einen längst fertigen Song, der auf die Richtige wartete: „Get The Party Started“.
Und genau mit diesem, ihrem ersten Welthit startet Alecia Moore auch jetzt, kurz vor ihrem 40. Geburtstag, inzwischen verheiratet und zweifache Mutter, in ihre große Show. Mögen die Kritiker damals bereits geunkt haben, das allzu plakativ Rockige verscherble ihre Stimme und mindere ihre Durchschlagskraft, mögen sie beim aktuelbei len Album „Beautiful Trauma“eine Hinwendung an den Dance-Pop bedauern – die unbeirrbar eigene Pink ist eine erfolgreiche Weltmarke, die solche Konzerte wie in München praktisch komplett mit HitparadenHits bestreiten kann: „Just Like a Pill“und „Who Knew“, „So What“und „Just Give Me a Reason“…
Damals wie als Gegengift zu PopSternchen wie Britney Spears gestartet ist sie bis heute die coolste Emanze in den Charts. Denn sie bringt derben Witz mit ernstem Appell aufklärerisch zusammen – in Songs, ihrem Auftreten und auch ihren Konzerten. Diesmal vom Comicvideo eines Rache-Feldzugs gegen Männer bis zum Abspielen eines flammenden, sehr persönlichen Appells für die Schönheit der Vielfalt.
Spaß und Politik, Punk und Pathos – das ist Pink. Und das ist, wie sich am Ende der Show zeigt, als sie nach all dem Spektakel zu einer letzten Ballade barfuß und in schlichtem weißem T-Shirt und löchrigen Jeans-Schlaghose herauskommt, bevor sie danach am Bühnenabgang das achtjährige Töchterchen Willow in die Arme schließt: Das ist auch Alecia Moore. Ganz am Boden.