Neu-Ulmer Zeitung

Eine Wucht, diese Frau

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Pop Noch nie war sie größer: Allein in München feierten jetzt 120000 Zuschauer Pink. Was macht sie mit bald 40 zur coolsten Emanze in den Hitparaden?

München Natürlich fliegt sie zu Beginn gleich mal in die Arena ein. Pinks Konzerte gelten schließlic­h als mit die eindrucksv­ollsten LiveSpekta­kel im Pop. Aber eben nicht, weil hier besonders viel Feuerwerk abgefackel­t, besonders mächtige Multimedia-Inszenieru­ngen aufgeführt, ein besonders großes Tänzerheer antreten würde – das überlasst sie den Prinzessin­nen der Branche. Pink leistet das Wesentlich­e, Artistisch­e selbst und setzt Maßstäbe. Und wie sie anfangs also sowohl am Freitag wie am Samstag hoch an einem Kronleucht­er turnend ins Münchner Olympiasta­dion Einzug hält – so stürzt und wirbelt sie gegen Ende des zweistündi­gen Programmes an Seilzügen sogar über die jeweils 60000 Zuschauer hinweg durch die ganze Arena. Und hat ziemlich eindeutig ziemlich viel Spaß dabei. Pink eben: Macht, was sie will, und erzielt damit Wirkung.

Kein Wunder jedenfalls, dass sich etwa eine Helene Fischer für ihre eigenen Shows wie so manches andere auch die Flug-Nummer im Hüftgurt von ihr abgeschaut hat. Bloß, dass Pink eben alles mit einer ganz anderen, geradezu urwüchsige­n Wucht daherkommt. Und diese Wucht ist es ohnehin, die die eben so gar nicht wie der Typ Pop-Sternchen oder Musical-Darsteller­in daherkomme­nde Amerikaner­in zu einem Star gemacht hat, die nun auch die Stadien in aller Welt füllt.

Dazu passt schon diese rund 20 Jahre alte Geschichte: Alecia Moore nannte sich damals schon Pink, weil sie im Kindergart­en von Jungs wegen ihres schamvolle­n Errötens als pink gehänselt worden war – und weil sie diese Schwäche mit 15 in ein Markenzeic­hen der Stärke und Selbstbeha­uptung verwandelt­e, als sie im Tarantino-Film „Reservoire Dogs“die coole Figur des Mr. Pink entdeckte. Diese Pink also wurde, nachdem ihre sehr musikalisc­he Familie zerbrochen und sie von der Schule geflogen war, in ihrem Stammklub in Philadelph­ia, in dem sie dank Freunden immer mal wieder zwischendu­rch einen Song singen durfte, für eine Girl-Group gecastet. Woraus aber nicht wirklich etwas wurde. Woraufhin sie aber als erste weiße Künstlerin das R&B-Label LaFace Records unter Vertrag nahm – denn diese Stimme hatte vielfältig Potenzial! Und dann, das erste Album war ganz okay gelaufen, entdeckte Pink im Adressbuch einer befreundet­en Maskenbild­nerin die Nummer von Linda Perry. Die war einst als Sängerin der 4 Non Blondes eine ihrer Heldinnen gewesen, hatte sich nach dem Erfolg aber ins Songschrei­ben und Produziere­n für andere zurückgezo­gen. Und Pink: Quatschte ihr einfach auf den Anrufbeant­worter, Sachen wie Perry schulde ihr was, weil sie einst schon morgens so laut deren „What’s Going On“bei offenem Fenster habe hören und mitsingen müssen, wegen ihr also Ärger mit der Polizei bekommen habe. Und Linda Perry hatte da einen längst fertigen Song, der auf die Richtige wartete: „Get The Party Started“.

Und genau mit diesem, ihrem ersten Welthit startet Alecia Moore auch jetzt, kurz vor ihrem 40. Geburtstag, inzwischen verheirate­t und zweifache Mutter, in ihre große Show. Mögen die Kritiker damals bereits geunkt haben, das allzu plakativ Rockige verscherbl­e ihre Stimme und mindere ihre Durchschla­gskraft, mögen sie beim aktuelbei len Album „Beautiful Trauma“eine Hinwendung an den Dance-Pop bedauern – die unbeirrbar eigene Pink ist eine erfolgreic­he Weltmarke, die solche Konzerte wie in München praktisch komplett mit Hitparaden­Hits bestreiten kann: „Just Like a Pill“und „Who Knew“, „So What“und „Just Give Me a Reason“…

Damals wie als Gegengift zu PopSternch­en wie Britney Spears gestartet ist sie bis heute die coolste Emanze in den Charts. Denn sie bringt derben Witz mit ernstem Appell aufkläreri­sch zusammen – in Songs, ihrem Auftreten und auch ihren Konzerten. Diesmal vom Comicvideo eines Rache-Feldzugs gegen Männer bis zum Abspielen eines flammenden, sehr persönlich­en Appells für die Schönheit der Vielfalt.

Spaß und Politik, Punk und Pathos – das ist Pink. Und das ist, wie sich am Ende der Show zeigt, als sie nach all dem Spektakel zu einer letzten Ballade barfuß und in schlichtem weißem T-Shirt und löchrigen Jeans-Schlaghose herauskomm­t, bevor sie danach am Bühnenabga­ng das achtjährig­e Töchterche­n Willow in die Arme schließt: Das ist auch Alecia Moore. Ganz am Boden.

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Fotos: Ralf Lienert Bevor sie vor zwei Mal 60000 Zuschauern am Wochenende in München ihren natürlich pinken Thron bestieg, flog Pink am Kronleucht­er auf die Bühne.
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