„Das ist eine große Nummer“
Schwimmen Florian Wellbrock schafft ein Novum: Seinem WM-Titel im Freiwasser lässt er den im Becken folgen. Damit rettet er ein Jahr vor den Olympischen Spielen auch die Bilanz des deutschen Teams
Gwangju Völlig euphorisch schwang sich Florian Wellbrock nach dem nächsten Gold-Coup auf die Leine, schleuderte mit beiden Händen Wasser in die Luft und riss die Arme nach oben. Mit einem mitreißenden Titel-Comeback hat der Freiwasser-Champion ein hochemotionales Happy End bei der Schwimm-WM in Südkorea gefeiert. Nie zuvor feierte ein Athlet bei einer WM Gold im Becken und im Freiwasser.
Fünf Tage nach seinem deprimierenden Vorlauf-Aus über 800 Meter schlug der 21-Jährige in Gwangju über 1500 Meter Freistil imponierend zurück. „Zweimal Gold zu holen ist unglaublich. Das hat vor mir noch keiner geschafft. Das ist eine große Nummer“, sagte der Ausnahmekönner, der den ersten deutschen WM-Titel seit 2015 bejubelte.
Wellbrocks nervenaufreibendes Titelkampfende und die Auftritte von Silbergewinnerin Köhler, die einen 32 Jahre alten deutschen Rekord knackte, machen Hoffnung für Olympia. Nach Nullnummern in London und Rio könnte es in Tokio wieder eine olympische Medaille für die Beckenschwimmer geben.
In Südkorea gab’s – alle Disziplinen zusammengenommen – dreimal WM-Gold und insgesamt achtmal Edelmetall. So gut war Deutschland seit 2013 nicht mehr. Nach zwei WM-Titeln und insgesamt fünf Medaillen der herausragenden Freiwassersparte sowie einmal Bronze und zwei Olympia-Tickets der tüchtigen Wasserspringer, schlugen sich die Beckenschwimmer weitaus besser als bei der WM 2017 (1 Medaille/5 Finals). „Das ist ein sehr, sehr positiver Trend“, sagte Bernd Berkhahn nach seiner Premiere als Teamchef – und warnte zugleich. „Über Tokio sagt das erst mal nichts.“
Goldtriumph für Wellbrock, Silber sowie deutsche Rekorde für Köhler und 14 Finalplätze stehen in der Bilanz. Knapp verpasste Podestränge durch Routiniers machen Hoffnung. Der Kampf um die Staffel-Qualifikationen glückte nach dem Motto „Sieben auf einen Streich“– alle Quartette sind im nur rund 1150 Kilometer entfernten Tokio dabei.
Klare Nummer 1 in den prestigeBeckenrennen waren die USA mit 14-mal Gold und insgesamt 27 Medaillen vor Australien (5/19). Der 22 Jahre alte US-Star Caeleb Dressel war mit sechs Titeln eine Klasse für sich, wenngleich ein Gold zu den Bestmarken von Michael Phelps und ihm selbst fehlte. Bei Olympia 2020 will er in die Supermann-Rolle des Rekordolympiasiegers schlüpfen, dem er einen zehn Jahre alten Weltrekord entriss. Eine Phelps-Bestzeit schnappte sich zudem der 19-jährige Ungar Kristof Milak, der stellvertretend für eine ganze Garde Youngster steht.
Mit seinen 21 Jahren steht auch Wellbrock eine große Zukunft offen. Im Freiwasserbereich, wo er auf der olympischen Zehn-KilometerStrecke Gold und das Tokio-Ticket feierte, ist er in diesem Jahr ungeschlagen. Das Vorlauf-Aus über 800 Meter Freistil als 17. steckte er beträchtigen merkenswert weg. Möglicherweise kann er aus dem Auf-und-ab-undauf bei der WM mehr für seinen weiteren Reifeprozess mitnehmen, als es bei reinen Festspielen der Fall gewesen wäre.
Große Gewinnerin war auch seine Freundin Sarah, die die erste Freistil-Medaille seit Britta Steffen verbuchte. Die 25-Jährige brillierte als Staffel-Weltmeisterin im Freiwasser und lieferte im Becken. Silber über 1500 Meter Freistil, über 800 Meter reichte die Verbesserung eines 32 Jahre alten Rekords nicht zum Medaillen-Triple – nur ein deutscher Rekord ist noch älter. „Besser hätte es die Woche über nicht laufen können. Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagte Köhler.
Beinahe jeden Tag gab es abseits des Beckens Ärger um den des Dopings verdächtigen Weltmeister Sun Yang. Die Hoffnung des Gros der Schwimmer: Der Internationale Sportgerichtshof Cas schafft im September Klarheit um den mysteriösen Fall der mit einem Hammer zerstörten Dopingprobe des chinesischen Olympiasiegers.