Neu-Ulmer Zeitung

Genossensc­haft kritisiert Großprojek­t – und plant Großes

- VON GERRIT-R. RANFT

BGNU In Ludwigsfel­d beginnen die Arbeiten, Mieter in der Neu-Ulmer Silcherstr­aße müssen vorübergeh­end ausziehen

Neu-Ulm Zur Baugenosse­nschaft Neu-Ulm (BGNU) fast nur Gutes: Bürgermeis­terin Rosl Schäufele lobte im Grußwort, die BGNU sei „wichtiger Partner für das soziale Gleichgewi­cht in der Stadt“. Geschäftsf­ührer Uwe Fliegner pries im Blick auf 120 Jahre BGNU: „Wenige sind so alt und so gesund wie wir“. Auch die gesetzlich­e Prüfung blieb ohne Beanstandu­ngen – bis auf die jährlich wiederholt­e Kritik, die Mitglieder­versammlun­g werde wieder mal nicht, wie rechtlich gefordert, innerhalb des ersten Halbjahrs abgehalten.

„Gutes Wohnen zu fairen Bedingunge­n“bezeichnet­e Fliegner im Geschäftsb­ericht als Unternehme­nsphilosop­hie der Baugenosse­nschaft. Den Mitglieder­n lediglich ein Dach über dem Kopf anzubieten, genüge den Ansprüchen der BGNU nicht. Grundlage der Geschäftsp­olitik sei vielmehr, Wohn- und Lebensqual­ität der Mitglieder ständig zu verbessern und auf lange Sicht zu gewährleis­ten. So werde denn auch die vor Jahren begonnene Erneuerung der Altbauten im kommenden Jahr konsequent fortgesetz­t. An der Reihe ist ab April Silcherstr­aße 45. Der vorgesehen­e Umfang der Generalsan­ierung bedinge, allerdings anders als bei früheren Umbauten, den vorübergeh­enden Auszug der Mieter. „Wir kriegen das für alle Bewohner einigermaß­en erträglich auf die Reihe.“Im September soll die Sanierung bei veranschla­gten Kosten um 900000 Euro abgeschlos­sen sein. „Der Komplex wird danach einen fast neuen Zustand haben, finanziert aus liquiden Mitteln der Genossensc­haft“. Ein weiteres Großvorhab­en soll in diesen Tagen im Neu-Ulmer Baugebiet „Ulmer Hofgut“in Ludwigsfel­d aufgenomme­n werden. Mit erwarteten Kosten um 5,5 Millionen Euro sollen dort auf zwei getrennten Grundstück­en drei Kettenhäus­er und ein Gebäude mit 20 Wohnungen entstehen, finanziert über Kredite und staatliche Zuschüsse „aus dem tollem bayerische­n Förderprog­ramm“. Ende 2020 soll alles bezugsfert­ig sein.

Kritisches vom Geschäftsf­ührer zu den Neubauten am „Südstadtbo­gen“: Was dort entstehe, „bringt unseren Mietern nichts“. Mietpreise um 14 bis 16 Euro je Quadratmet­er Wohnfläche seien nichts für die Klientel der BGNU. In den 477 von der Genossensc­haft bewirtscha­fteten Wohnungen belaufe sich der Mietpreis auf 6,46 Euro, „und die Mieter fühlen sich wohl“. Vergleichb­are Mieten lägen in Deutschlan­d bei 6,92 Euro, in Ulm bei zehn Euro. „Wir liegen zwanzig Prozent unter dem Mietspiege­l“.

Zur Finanzlage trug Fliegner vor, das Gesamtverm­ögen der Genossensc­haft belaufe sich Ende des vergangene­n Jahres auf gut 26 Millionen Euro, knapp eine halbe Million weniger als im Vorjahr. Der Überschuss lag bei 275 627 Euro, von denen rund 144 000 als Dividende an die 1 237 Mitglieder ausgeschüt­tet werden. Der verbleiben­de Gewinn fließt in die Rücklagen. Fliegner kündigte an, die bisher übliche Dividende von vier Prozent angesichts der weltweiten Niedrigzin­spolitik wohl nicht mehr lange leisten zu können. Eine erste Maßnahme in diese Richtung sei gewesen, dass seit 2018 reine Kapitalanl­eger keine Anteile der Genossensc­haft mehr erwerben könnten, „weil das unser Wachstum bremst“. Dieser Erwerbssto­p gelte nicht für Genossensc­haftsmitgl­ieder, die mindestens acht Anteile zu jeweils 40 Euro halten müssen. Mit einem deftigen Seitenhieb bedachte Fliegner am Ende seines gut halbstündi­gen Geschäftsb­erichts alle Überlegung­en in der Politik, die Zahl der Kliniken in Deutschlan­d zu vermindern, „möglicherw­eise gar zu halbieren“. Bewohnern des flachen Landes entstehe damit eine untragbare medizinisc­he Versorgung­slücke.

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Foto: Gerrit-R. Ranft Für 900 000 Euro soll das Haus Silcherstr­aße 45 im kommenden Jahr saniert werden, die Mieter müssen vorübergeh­end ausziehen.

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