Neu-Ulmer Zeitung

Kind vor einfahrend­en Zug gestoßen

- VON SARAH RITSCHEL

Kriminalit­ät Drama am Frankfurte­r Hauptbahnh­of. Was treibt solche Täter an?

Frankfurt am Main Es ist der zweite Fall innerhalb gut einer Woche: Ein 40-jähriger Mann hat am Frankfurte­r Hauptbahnh­of offenbar aus heiterem Himmel einen achtjährig­en Jungen und seine Mutter vor einen einfahrend­en ICE gestoßen und dasselbe bei einer weiteren Person versucht. „Das Kind wurde vom Zug überrollt und tödlich verletzt, es starb noch im Gleisbett“, sagte Polizeispr­echer Thomas Hollerbach. „Der 40 Jahre alten Mutter ist es noch gelungen, sich zur Seite zu rollen und zu retten.“Erst am Samstag vor einer Woche hatte im nordrhein-westfälisc­hen Voerde ein 28 Jahre alter Mann eine 34-Jährige vor einen Regionalzu­g gestoßen. Auch die Mutter einer Tochter erlag ihren Verletzung­en.

Was verleitet jemanden zu so einer Attacke? In beiden Fällen sieht alles danach aus, als hätten die Täter ihre Opfer rein zufällig ausgewählt. Polizeipsy­chologe Adolf Gallwitz nimmt an, dass die Verdächtig­en eins verbindet: „Das sind Menschen mit einer extrem aggressive­n Persönlich­keit.“Manchmal reiche ein Blick des Opfers, um den Täter explodiere­n zu lassen. Manchmal sei überhaupt kein Grund ersichtlic­h. „Diese Menschen laufen wie tickende Zeitbomben herum und warten nur auf eine Möglichkei­t, ihre Aggressivi­tät loszuwerde­n.“Gallwitz zufolge gibt es keine Statistike­n, die zeigen, wie viele Menschen in Deutschlan­d von einer solch übersteige­rten Aggressivi­tät betroffen sind.

Der Angreifer von Frankfurt, der kurz nach dem tödlichen Stoß festgenomm­en wurde, soll nach ersten Ermittlung­en der Frankfurte­r Polizei aus Eritrea stammen. Mehr ist über seinen Hintergrun­d bislang nicht bekannt. Fallanalyt­iker Gallwitz, der lange an der Polizeihoc­hschule in Villingen-Schwenning­en Ermittler schulte, erklärt, dass auch eine persönlich­e Traumatisi­erung einen Menschen zu solch einer Tat treiben könne. Genauso sei ein Nachahmer-Effekt nach Voerde denkbar. „Angesichts mehrerer schwerwieg­ender Taten in jüngerer Zeit“hat am Montag Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) seinen Urlaub unterbroch­en, um die Chefs der Sicherheit­sbehörden zu treffen. Die Öffentlich­keit will er an diesem Dienstag über die Ergebnisse informiere­n. Er wünsche Angehörige­n und Freunden des getöteten Jungen Kraft, sagte Seehofer und versprach dem Land Hessen Hilfe bei der Aufklärung der Tat – etwa durch das Bundeskrim­inalamt oder die Bundespoli­zei.

Deren Beamte kümmern sich um die Sicherheit an deutschen Bahnhöfen. Allein für die großen Bahnhöfe im Münchner Raum sind 300 Bundespoli­zisten abgestellt. Wolfgang Hauner ist ihr Pressespre­cher. „Unsere Beamten machen vor allem Streifengä­nge an den Bahnsteige­n“, berichtet er. Die Polizisten tragen Uniform, damit sie für die Reisenden sofort erkennbar sind. Die Bundespoli­zei arbeitet mit der DB-Sicherheit-GmbH zusammen – dem privaten Security-Dienst der Bahn.

Nach den beiden tödlichen Zwischenfä­llen in Frankfurt und Voerde werde man zumindest in München keine zusätzlich­en Vorkehrung­en treffen, sagt Hauner. Nach aktuellem Stand kamen beide Angriffe aus dem Nichts und waren für die Sicherheit­skräfte nicht vorherzuse­hen. Fahrgästen schärft Hauner aber ein, sich sofort bei der Polizei zu melden, sobald sie etwas Verdächtig­es bemerken „lieber einmal zu viel als zu selten“.

„Geschockt“sei man bei der Deutschen Bahn, sagte ein Sprecher unserer Redaktion. Derzeit sei man in Gedanken bei Angehörige­n des Opfers. Konkrete Ideen, wie man solche Taten verhindern könnte, seien gestern darum nicht diskutiert worden.

Mehr zu den Ermittlung­en lesen Sie auf Panorama. (mit mab)

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