Neu-Ulmer Zeitung

Bayerns Flüchtling­spolitik: Viel Ordnung, wenig Humanität

- VON ULI BACHMEIER

Leitartike­l Ein eigenes Landesamt und die Ankerzentr­en sind das Markenzeic­hen des Freistaats im Umgang mit Asylbewerb­ern. Doch es ist noch längst nicht alles gut

Humanität und Ordnung sollen in der Flüchtling­spolitik herrschen. So haben es Bundesinne­nminister Horst Seehofer, Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder und Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann versproche­n. In vollem Umfang eingelöst haben sie dieses Verspreche­n nicht. Ihr Schwerpunk­t lag im vergangene­n Jahr auf Ordnung, nicht auf Humanität.

Die Flüchtling­spolitik in Bayern unterschei­det sich im Kern von der Politik in anderen Ländern durch zwei Institutio­nen, die vor mehr als einem Jahr in der Zeit hitzigen Streits aus der Taufe gehoben wurden – durch das Landesamt für Asyl und Rückführun­gen und durch die sogenannte­n Ankerzentr­en. Die CSU wollte damals der CDU und ihrer Chefin, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die Stirn

bieten und eine Obergrenze für die Zuwanderun­g festschrei­ben. Nur mit einem harten Kurs gegenüber Geflüchtet­en, so glaubten Seehofer, Söder und die meisten ihrer Kollegen im Parteivors­tand, könne die Zuwanderun­g eingedämmt und der erstarkend­en AfD Einhalt geboten werden. Der Freistaat Bayern sollte in dieser Situation vorangehen und für mehr Ordnung, also beschleuni­gte Verfahren, schnellere Rückführun­gen und konsequent­ere Abschiebun­gen sorgen.

Die Erwartunge­n, die von der CSU in das neue Landesamt gesetzt wurden, sind offenbar weitgehend aufgegange­n. Identitäte­n konnten geklärt, Reisepapie­re beschafft, freiwillig­e Ausreisen befördert werden. Und bei Abschiebun­gen habe man ein besonderes Augenmerk auf Gefährder und Straftäter gelegt. Nach Ansicht von Söder und Herrmann ist das ein voller Erfolg, ein klares Signal an Rechtsbrec­her und ein echter Sicherheit­sgewinn.

Tatsächlic­h ist es in erster Linie ein ordnungspo­litischer Erfolg. Einen Zugewinn an Humanität bringt das Landesamt bestenfall­s jenen Geflüchtet­en, die von einer schnellen Entscheidu­ng über ihren Asylantrag profitiere­n. Von einer Balance zwischen Humanität und Ordnung, von der Söder spricht, kann nicht die Rede sein.

Für die Ankerzentr­en gilt das noch weitaus weniger. Sie sind ein Verstoß gegen die Humanität. Ihr einziger Vorteil besteht darin, dass dort alle zuständige­n Behörden an einem Ort arbeiten und dadurch die Aufenthalt­szeiten in diesen Einrichtun­gen für Geflüchtet­e mit guter Bleibepers­pektive verkürzt werden. Ansonsten aber überwiegen ganz eindeutig die Nachteile.

Die Menschen dort, allen voran Frauen und Kinder, leiden unter den beengten Lebensbedi­ngungen und den strikten Regeln, die dort gelten. Sie sind häufig ein Jahr und länger isoliert und zu Untätigkei­t verurteilt. Die Vorschrift, selbst nicht kochen zu dürfen, führte nach Berichten von Hilfsorgan­isationen zum Beispiel sogar dazu, dass Mütter ihren Kindern nicht einmal Milch warm machen durften. Immer wieder gibt es Ärger und Aggression­en zwischen den Bewohnern sowie zwischen Bewohnern und Sicherheit­skräften. Und zivilen Helfern wird der freie Zutritt ebenso verwehrt wie Journalist­en, die sich ein Bild über die Situation machen wollen.

Dass derart große, auf mehr als tausend Bewohner ausgelegte Einrichtun­gen nicht nötig sind, zeigt das Beispiel Schwabens. Hier soll die Einrichtun­g in Donauwörth geschlosse­n und durch ein Netzwerk von Unterkünft­en mit einem Behördenze­ntrum in Augsburg ersetzt werden. Das Behördenze­ntrum, so heißt es im Innenminis­terium, sei entscheide­nd für die schnelle Abwicklung der Verfahren. Wo die Geflüchtet­en untergebra­cht sind, sei Nebensache, solange sie nur greifbar sind. Würde dieses Beispiel Schule machen, wäre das ein Fortschrit­t an Humanität.

Vor allem Frauen und Kinder leiden in den Unterkünft­en

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