Neu-Ulmer Zeitung

Massenware Lachs

- VON LEONIE KÜTHMANN

Ernährung Er gehört in Deutschlan­d zu den beliebtest­en Speisefisc­hen, der Konsum steigt. Experten erklären, welche Folgen das für die Umwelt hat und welche Alternativ­en es zu Lachs gibt

Augsburg Man findet ihn auf Bagels, in sogenannte­n Bowls und auf jedem, wirklich jedem, nicht-vegetarisc­hen Food-Account auf Instagram: Lachs – egal in welcher Form – wird immer beliebter. Und doch werden auch kritische Stimmen laut: Sie reden von Überfischu­ng der Meere, von schlechten Bedingunge­n in Aquakultur­en.

Innerhalb von zehn Jahren, von 2007 bis 2017, ist der Lachskonsu­m in Deutschlan­d um rund 25 Prozent gestiegen. Das berichtet das FischInfor­mationszen­trum. Wurden 2007 noch rund 140000 Tonnen Lachs gefangen, waren es 2017 schon 195000, in den Jahren davor lag das Fanggewich­t sogar deutlich über 200 000 Tonnen. Wie schädlich ist der steigende Lachskonsu­m für die Umwelt?

Um den Massenkons­um zu decken, wurden weltweit Aquakultur­anlagen gebaut, vor allem in Nordeuropa, aber auch in Chile. Philipp Kanstinger arbeitet für den WWF und betont, dass sich die Bedingunge­n der Aquakultur in Nordeuropa deutlich verbessert haben. Von Lachs aus Chile hingegen würde der Meeresbiol­oge stark abraten: „Dort werden immer noch viele Antibiotik­a eingesetzt.“

Zudem sei der Lachs dort keine einheimisc­he Art – bricht er also aus der Aquakultur aus, konkurrier­t er mit einheimisc­hen Fischen. Dies sei auch in Gegenden in Nordeuropa, in denen noch geringe Wildlachsb­estände vorhanden seien, ein Problem, betont Kanstinger: „Da Lachs schon sehr lange gezüchtet wird, unterschei­det er sich genetisch vom Wildlachs.“Hochgezüch­teter Lachs sei weniger intelligen­t und bewege sich langsamer. „Bricht der Zuchtlachs aus, vermischt er sich mit dem Wildlachs und kontaminie­rt so dessen genetische­n Pool.“

Ein weiteres Problem, das die Aquakultur in Norwegen betrifft, sind Lachsläuse: „Sie werden resistente­r gegen die Behandlung­smethoden und der Parasit kann sich schnell auf die Wildbestän­de übertragen“, erklärt der Meeresbiol­oge. Letzteres sei besonders problemati­sch: „Die Wildbestän­de sind im Atlantik ohnehin im Keller.“

Atlantisch­er Wildlachs sei mittlerwei­le eine Seltenheit. Dabei lebte er bis vor hundert Jahren sogar noch in Deutschlan­d, betont der Meeresbiol­oge. „Die große Lachspopul­ation, die es vor hundert Jahren noch in Deutschlan­d und Europa gab, ist nahezu verschwund­en, weil die Flüsse vernichtet wurden: durch Baumaßnahm­en und Abwasser.“

Im Ozean bei Schottland trifft die Umweltschä­digung durch erhöhten Lachskonsu­m auch andere Tiere: „Dort hat man Probleme mit Raubtieren wie der Kegelrobbe“, erklärt Kanstinger. Die Robben gehen nah an die Netze der Lachs-Aquakultur und verwickeln sich darin. Damit es gar nicht erst so weit kommt, dass die Kegelrobbe­n die Aquakultur­anlagen zerstören, greifen die Betreiber der Anlagen laut Kanstinger zu drastische­n Mitteln: „Die Robben werden erschossen.“

Sie sind nicht die einzigen Tiere, die dem Lachskonsu­m zum Opfer fallen: Zuchtlachs­e fressen andere Fische wie Heringe, Sardinen und Sprotten. Man müsse immer noch hohe Mengen an Wildfisch verfüttern, um rentable Mengen Lachs zu produziere­n. Kanstinger räumt aber ein, dass sich zumindest die Menge des an Lachse verfüttert­en Wildfische­s verringert habe: „Früher waren es 3,5 Kilogramm Wildfisch pro Lachs, jetzt sind es noch 1,5 Kilogramm.“

„Es wäre sinnvoller, diese Fische direkt zu essen“, kritisiert der Meeresbiol­oge. Kleine Schwarmfis­che wie die oben genannten seien eine gute Alternativ­e, wenn man auf Lachs verzichten möchte. Ganz verzichten muss man nicht auf Fisch, denn prinzipiel­l ist dieser Teil einer gesunden Ernährung: Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung empfiehlt, zweimal pro Woche Fisch zu essen. „Aus Nachhaltig­keitsgründ­en wird mittlerwei­le geraten, dass man nur einmal pro Woche Seefisch zu sich nehmen sollte“, erklärt Daniela Krehl. Die Fachberate­rin für Lebensmitt­el und Ernährung bei der Verbrauche­rzentrale Bayern weist darauf hin, dass Seefisch – also Fisch aus dem Meer – nicht nur für die Jodversorg­ung wichtig sei: „Fette Fische, zu denen der Lachs auch gehört, enthalten besonders viel Omega-3-Fettsäuren.“Gibt es Alternativ­en, wie man diese Fettsäuren zu sich nehmen kann? Ja, sagt Krehl, aber: „Die Aufnahme der Fettsäuren über andere Lebensmitt­el ist schwierige­r.“Wer keinen Fisch essen möchte, könne auf hochwertig­e Pflanzenöl­e wie Leinöl zurückgrei­fen.

Soll Fisch im Speiseplan enthalten sein, könne man auch auf Karpfen umsteigen, erklärt Philipp Kanstinger und ergänzt: „Er ist eines der nachhaltig­sten Produkte und hat meiner Ansicht nach zu Unrecht einen schlechten Ruf.“Karpfen könne sehr nachhaltig gezüchtet werden. Eine weitere Alternativ­e zu Lachs sind laut dem Meeresbiol­ogen Muscheln aus Leinen-Aquakultur. Bei dieser Form der Aquakultur werden die Muscheln an im Wasser hängenden Leinen kultiviert.

Sollte man aus Gründen des Umweltschu­tzes nun keinen Lachs mehr essen? Kanstinger betont: „Es kommt immer darauf an, woher der Lachs kommt.“Es sei in Ordnung, Lachs zu essen, wenn man damit „schlechter­en Fisch“wie Rotbarsch oder Fleisch, gerade Rindfleisc­h ersetzt. „Aber Lachs sollte trotzdem eine Delikatess­e bleiben, die man selten isst. Dieser Massenkons­um, der gerade stattfinde­t, schadet der Natur eher, als dass er ihr etwas bringt.“

Wenn es unbedingt Lachs sein soll, empfiehlt der Meeresbiol­oge zertifizie­rten Wildlachs aus Alaska: „Dort sind die Bestände sehr gut gemanagt und man hilft den Leuten vor Ort, die Natur zu bewahren.“Die Fischer setzten sich dafür ein, dass die Ökosysteme intakt bleiben.

Im Gegensatz zum pazifische­n Wildlachs aus Alaska gibt es atlantisch­en Wildlachs laut Kanstinger kaum noch. Der, den man im Supermarkt findet, sei immer aus Aquakultur. „Kauft man atlantisch­en Lachs, sollte man darauf achten, dass er ASC- oder bio-zertifizie­rt ist“, so die Empfehlung des Meeresbiol­ogen.

Daniela Krehl von der Verbrauche­rzentrale berichtet, dass Konsumente­n immer wieder anfragen, was denn nun die umweltfreu­ndlichere Alternativ­e sei: Wildlachs oder Lachs aus Aquakultur? Die Fachberate­rin erklärt: „Wildlachse nehmen keine Antibiotik­a zu sich, die in Aquakultur aufgrund der Massenhalt­ung nötig sind. Aber: Der Lachs aus Aquakultur ist nachhaltig, da es so keine Überfischu­ng der Meere gibt.“Krehl weist außerdem darauf hin, dass man als Verbrauche­r darauf achten sollte, ob man Wildlachs oder Wildwasser­lachs kaufe. „Der Unterschie­d liegt darin: Wildlachs lebt wirklich in der Natur, Wildwasser­lachs stammt aus Fischfarme­n, die sich in natürliche­m Wasser, nicht in einem künstliche­n Becken befinden.“

Konsumente­n sollten wissen, welcher Lachs der Umwelt am wenigsten schadet, denn: Dass der Lachskonsu­m zurückgeht, sei aktuell nicht absehbar, betont Kanstinger: „Lachs wird das neue Hühnchen – ein globales Produkt für die Mittelklas­se.“

 ?? Foto: Conrad, stock.adobe.com ?? Atlantisch­er Lachs, wie hier zu sehen, wird in Nordeuropa in großem Umfang in Aquakultur gezüchtet. Wild lebende Tiere sind mittlerwei­le sehr selten.
Foto: Conrad, stock.adobe.com Atlantisch­er Lachs, wie hier zu sehen, wird in Nordeuropa in großem Umfang in Aquakultur gezüchtet. Wild lebende Tiere sind mittlerwei­le sehr selten.
 ?? Foto: nadianb, stock.adobe.com ?? Ob als Tartar, Räucherlac­hs oder wie hier als Filet: Lachs kommt in vielen Formen auf den Tisch – und das mittlerwei­le sehr oft. Dabei sollte es sich laut Experten um eine Delikatess­e handeln, die man selten genießt.
Foto: nadianb, stock.adobe.com Ob als Tartar, Räucherlac­hs oder wie hier als Filet: Lachs kommt in vielen Formen auf den Tisch – und das mittlerwei­le sehr oft. Dabei sollte es sich laut Experten um eine Delikatess­e handeln, die man selten genießt.

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