Zum Kugeln in die Berge
Man kann es sich ganz einfach machen: mit der Gondelbahn am Söllereck hinauf und dann sind es nur noch ein paar Schritte bis zum Kugellager: Jenem Automaten, an dem es die Holzkugeln (zwei Euro) für den großen Familien-Wettspaß gibt. Hier steht die längste Kugelbahn der Alpen. Die Bergstation in Sichtweite sausen die Kugeln auf zwei parallel angelegten Bahnen 51 Meter hinunter. Die Kugeln rollen durch Trichter, bringen Kuhschellen zum Klingen oder rattern durch ein Holzlabyrinth. Das kann man lange wiederholen, bis es irgendwann zu der Entscheidung kommt, ob es den 2,2 Kilometer langen (an sich nicht sehr abwechslungsreichen) Schönblickweg ins Tal hinuntergehen soll, auf dem noch zwei weitere Kugelbahnen liegen, wo die Familien-Wettrennen fortgesetzt werden können...
Man kann es an schönen Tagen den Kleinen auch nicht ganz so einfach machen und über den Grat vom Fellhorn an die Bergstation vom Söllereck laufen. Die Kinder sollten allerdings wandererfahren sein, denn rechts und links des Weges geht es streckenweise heikel in die Tiefe. Der Pfad ist schmal und oft ausgesetzt. Also nichts für leichtsinnige, ungeduldige Springinsfelde.
Gut fünf Stunden ist man – ohne Pausen – unterwegs. Dafür ist der Blick über die Bergketten am Horizont grandios, was zumindest die Eltern freut. Die Kinder haben Spaß an den Grenzsteinen, hüpfen von Österreich nach Deutschland und wieder zurück. Oder setzen sich oben drauf, ein Bein im Nachbar-, eins im Heimatland. Und selbst als der Weg längst nur auf deutscher Seite führt, die Beine müde werden, gibt es diesen großen Anziehungspunkt: Da kommt ja noch die Kugelbahn… Doris Wegner In einem 170 Jahre alten Patrizierhaus an der Straße in Stampa befindet sich die vielleicht schönste Pension des Bergell: das Pontisella Bed & Breakfast. Daniel Erne hat den schon lange ungenutzten einstigen Familienbesitz der Familie gleichen Namens wachgeküsst und vier hinreißende Stuben restauriert und eingerichtet. Altes Arvenholz verbreitet Honiglicht. Seine ätherischen Öle duften auch nach so vielen Jahren und sorgen für einen Murmeltierschlaf. Andere Räume tauchte er in samtige Farben, die das Kunsthandwerk früherer Tage unterstreichen. Lampen und Möbel sind wunderschön, nichts ist überdekoriert. Nur ein paar zarte Wiesenblumen empfangen den Gast. Alles Stoffliche wie Handtücher und Bettdecken kommt aus Schweizer Manufakturen. Daniel Erne ist Jurist, vor allem aber ein liebevoller und aufmerksamer Gastgeber mit viel
Sinn für das
Gute im Einfachen. Er holt das Beste aus dem Bergell in sein Haus.
Das Frühstück am Küchentisch ist von ihm zubereitet, und die Produkte kommen aus dem Tal. Da könnte man sitzen bleiben, lesen, genießen. So persönlich und familiär ist es. Wären da nicht der kleine wilde geschützte Garten mit der Kinderblumenwiese hinterm Haus, der grandiose Blick auf die gerade aufragenden Granitwände der ScioraBerggruppe und die kleine Schar Thüringer Barthühner, die die Frühstückseier legen. KulturGasthaus nennt Daniel sein Refugium, in dem vor allem sommers seine Kinder ordentlich mit anpacken. Dann gibt es auch kleine Gartenkonzerte, und die Bauern aus der Region verkaufen die Früchte ihrer Arbeit. Im Erdgeschoß der Pontisella wird ausgestellt. Keramiken, Holzarbeiten oder Glaskunst von einheimischen Kunsthandwerkern, Wiesentee und Würste. Das Bergell hat viel zu bieten. Außerdem ist Stampa die Heimat des großen Alberto Giacometti. Es lohnt sich also, eine Pause im stillen Tal einzulegen auf dem Weg vom schweizerischen Engadin jenseits des Malojapasses ins nahe mediterrane Italien. Allein schon wegen der „Pontisella“. Inge Ahrens