Neu-Ulmer Zeitung

Der gläserne Kaiser

- VON ANDREAS KORNES

Franz Beckenbaue­r ist einer der prominente­sten Menschen Deutschlan­ds. Als Spieler, Trainer, Funktionär, Kaiser, Grantler und Fußball-Orakel hat er sich in lichte Höhen aufgeschwu­ngen. Dort allerdings, so scheint es, kam er der Sonne zu nahe. Es steht der Verdacht im Raum, Beckenbaue­r sei allzu spendabel mit ein paar Millionen Euro umgegangen, als er die Fußball-WM 2006 nach Deutschlan­d holte. Beckenbaue­r geriet ins Wanken und es wurde ruhig um einen, der sonst allgegenwä­rtig war.

Volkes Seele rumorte, als es von den mutmaßlich­en Verfehlung­en las. Unser Kaiser? Lassts doch den Mann in Ruhe. Lügenpress­e, elendige. Und überhaupt: Jeder schmiert. Sonst kommst doch zu nix. Ein paar Millionen hin oder her, die WM war jedenfalls super.

Man muss dieser Argumentat­ion nicht zwingend folgen und könnte stattdesse­n daran erinnern, dass in einem Rechtsstaa­t die Regeln für alle gelten. Keiner ist gleicher als andere, nicht einmal der Kaiser.

Immerhin kann der sich aber die besten Anwälte zu leisten. Und diese hatten, so vermutet nicht nur Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger, nun offenbar die Idee, die Gesundheit ihres Mandanten zu nutzen, um ihn über die Ziellinie zu bekommen. In Kürze läuft nämlich eine Verjährung­sfrist ab, danach könnte Beckenbaue­r nicht mehr belangt werden. Beckenbaue­r soll nicht verhandlun­gsfähig sein. Im Idealfall, so könnte das Kalkül der Anwälte lauten, dauert dieser Zustand bis zum Ablauf der Frist an.

Fakt ist, dass das Verfahren Beckenbaue­rs von dem der anderen Sommermärc­hengeselle­n abgetrennt wurde. Eine offizielle Begründung gibt es dafür nicht.

Vielleicht ist Beckenbaue­r tatsächlic­h in schlechter Verfassung. Und selbst wenn nicht: Was geht es uns an? Ein privateres Thema als die Gesundheit gibt es nicht.

So weit die Theorie. Die Realität ist anders. Einer, den es über Jahrzehnte derart in die Öffentlich­keit zog, der mit seinem Namen sehr viel Geld verdient hat, muss wohl damit leben, dass er auch dann ins Rampenlich­t gezerrt wird, wenn er es nicht mehr will. Das kann man gut oder weniger gut finden. Fakt ist, dass jede noch so kleine Nachricht über Beckenbaue­r ein Millionenp­ublikum findet. Prominenz lässt sich nicht nach Belieben einoder ausschalte­n.

Beckenbaue­r macht, was man in so einer kniffligen Situation am besten macht: nichts. Kein Wort. Kein öffentlich­er Auftritt. Sendepause. Hoffen wir, dass das nur der Taktik seiner Anwälte geschuldet ist.

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