Söders große Klima-Show
Leitartikel Der Ministerpräsident legt viele Ideen vor und will damit auch den Grünen Wind aus den Segeln nehmen. Doch richtig heikle Punkte spricht er bisher nicht an
Eines zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Markus Söder. Er ist lernfähig und wandelbar. So versucht es der CSU-Chef gerade, das große Thema Klimaschutz zu seinem zu machen. Bisher war die Partei hier alles andere als Avantgarde. Eine große Rolle dürfte spielen, dass zehntausende Schüler Freitag für Freitag für das Klima auf die Straße gehen. Dass die Rekordhitze der letzten Tage von über 42 Grad den Klimawandel zum Thema gemacht hat. Und nicht zuletzt, dass die Grünen in der letzten Umfrage mit 22 Prozent in Bayern nochmals besser abschnitten als bei der Landtagswahl. Söder hat es mit seinem am Dienstag vorgestellten Feuerwerk an Klima-Maßnahmen geschafft, der CSU statt des schwarzen einen grünen Anstrich zu geben. Für eine konservative Partei ist das bemerkenswert.
Die richtig heiklen Punkte aber hat der Regierungschef noch nicht angepackt.
Bei einigen Themen tut sich Söder leicht. Einen Kohleausstieg bereits 2030 statt 2038 zu fordern, fällt nicht schwer, da die Zahl der Kohlegruben im Freistaat überschaubar ist. Den Klimaschutz ins Grundgesetz aufzunehmen, ist zunächst komplett kostenlos. Solch ein Artikel entfaltet seine Wirkung erst, wenn Kläger die Klimapolitik vor das Verfassungsgericht tragen. Andere Vorstöße helfen dem Umweltschutz, sind aber auch leicht erkauft: Im Staatswald 30 Millionen Bäume zu pflanzen, mit dieser Idee können sich viele Wähler anfreunden. Mit günstigeren Bahntickets ebenso. Wo es um die wirklich heiklen Themen ging, blieb der Ministerpräsident am Dienstag aber diffus. Im Herbst will sich Bayern eine Klimastrategie geben. Diese muss konkreter ausfallen.
Denn ein wirkungsvoller Schutz vor Erderwärmung braucht den Ausbau erneuerbarer Energien. Hier aber hatte der Freistaat lange Zeit massiv gebremst. Sowohl bei der Windkraft als auch bei dem
Bau von Stromleitungen trat Söders Vorgänger Horst Seehofer kräftig auf die Bremse. Das lag nicht zuletzt am starken, häufig verständlichen Protest betroffener Bürger. Die Trassen kommen jetzt unter die Erde. Das wird länger dauern und teurer. Die 10H-Abstandsregel wiederum hat die Windkraft im Freistaat seit 2014 abgewürgt. Im ersten Halbjahr ging in Bayern kein einziges Windrad in Betrieb.
Ohne die Erneuerbaren wird es nicht gelingen, den CO2-Ausstoß zu senken. Selbst die von der Staatsregierung gewünschten künstlichen Kraftstoffe und WasserstoffAutos sind sinnlos, wenn am Anfang Kohlestrom steht. Eine leichtere Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen geht hier in die richtige Richtung. Hier liegt eine Stärke im sonnenreichen Freistaat. Söder öffnet auch das Fenster für die Windkraft wieder ein Stück. In den Staatswäldern sollen neue Anlagen entstehen. Irgendwann aber wird er entscheiden müssen, wie es mit
10H weitergeht. Wichtig wäre es, Gemeinden zu unterstützen, die den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben wollen, derzeit aber zu verunsichert sind.
Und es gibt noch weitere Fragezeichen: Vage bleibt, wie die Industrie auf einen klimafreundlichen Pfad gelenkt werden soll. Auch unser Verkehrswesen ist alles andere als umweltfreundlich. Eine CO2-Steuer, die das Verfeuern von Öl und Gas direkt belasten würde und wohl auch das Autofahren teurer macht, will Söder im Bund unbedingt vermeiden. Er setzt auf Anreize und freiwillige Maßnahmen. Diese greifen bisher aber nur langsam, wenn überhaupt. Unter Privatpersonen steigen zum Beispiel die SUV-Käufe.
Söder muss im Land und im Bund die heiklen Punkte anpacken. Sonst bleibt sein Ziel, den Freistaat vor 2050 klimaneutral zu machen, eine Klima-Show.
Die Windkraft im Freistaat wurde abgewürgt
Zu „Kritiker weg, Gefolgsmann rein“(Politik) vom 30. Juli:
Seit 100 Jahren hat noch kein USPräsident so viele seiner kritischen Minister, hohen Regierungsmitglieder und Bundesrichter in die Wüste geschickt, seine Steigbügelhalter jedoch zu hohen Würdenträgern erhoben als der jetzige Amtsinhaber in knapp einer Amtszeit.
Sein Nachahmer (ebenfalls Großmaul und Politclown) Boris Johnson „perfektionierte“dessen Methode sogar noch etwas, indem er bereits am Tag seiner Amtsübernahme als britischer Premier sämtliche seiner Kritiker in einem Aufwasch entlassen und gleichzeitig all seine Gefolgsleute zu seinen Schleppenträgern ernannte.
Herbert Biedermann,
Kirchdorf