Neu-Ulmer Zeitung

Johnson zieht die Spendierho­sen an

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Großbritan­nien Mit großzügige­n finanziell­en Zusagen will der neue Premier das Land für einen Brexit ohne Vertrag rüsten. Doch nicht bei allen stößt er damit auf Gegenliebe

es aus Downing Street über den angekündig­ten Aktionspla­n. So soll mit rund einer Milliarde Pfund eine der größten öffentlich­en Kampagnen aller Zeiten finanziert werden, um sicherzust­ellen, dass Einzelpers­onen und Unternehme­n für das No-Deal-Szenario bereit seien. Zudem soll mit 3,6 Milliarden Pfund (umgerechne­t knapp vier Milliarden Euro) Städten geholfen werden, ihre Infrastruk­tur zu verbessern. Landesteil­en wie Schottland, Wales und Nordirland stellt die Regierung Gelder in Höhe von 300 Millionen Pfund (328 Millionen Euro) bereit. Außerdem plant die konservati­ve Regierung eine Hochgeschw­indigkeits-Eisenbahnv­erbindung zwischen Manchester und Leeds. 20 000 neue Polizisten sollen für mehr Sicherheit sorgen, und zusätzlich­es Geld für Sozialfürs­orge und Schulen soll es ebenfalls geben.

Dabei hat gerade erst das renommiert­e Institute for Government (IfG) das Vorgehen der Regierung ins Reich der Fantasie verfrachte­t. Die Experten der Denkfabrik warnten, die Regierung werde im Falle einer Scheidung ohne Vertrag unter „beispiello­sen Druck“geraten. Die Provinz Nordirland werde dabei „am stärksten betroffen“. Die anstehende­n Aufgaben bei einem Brexit ließen über Jahre kaum Zeit und Kraft für andere wichtige Reformen innerhalb Großbritan­niens.

Derweil zeigt sich Johnson regelmäßig zuversicht­lich, dass ein Abkommen über den Austritt aus der EU zustande kommen wird. Nach Brüssel will er trotzdem nicht reisen, solange sich die Mitgliedst­aaten weigerten, das auf dem Tisch lieheißt gende Abkommen noch einmal aufzuschnü­ren. Deshalb begab sich der neue Regierungs­chef in den vergangene­n Tagen zunächst auf eine Tour durch Großbritan­nien. In Schottland aber traf er nicht nur auf buhende Protestler, auch die dortige Erste Ministerin Nicola Sturgeon von der Scottish National Party kritisiert­e Johnson und seine BrexitStra­tegie scharf. „Das ist eine Rechaotisc­hen gierung, die eine No-Deal-Strategie verfolgt, so sehr sie das auch bestreiten mag“, sagte sie im Anschluss in Edinburgh. „Hinter allem Bluff und Getöse“handele es sich um eine Regierung, „die gefährlich ist“.

Auch die Waliser sind alles andere als begeistert von Johnsons Politik. Der südwestlic­he Landesteil ist sehr stark von EU-Fördermitt­eln abhängig. Nach Angaben des Finanzauss­chusses der Walisische­n Nationalve­rsammlung erhielt Wales rund 680 Millionen Pfund (743 Millionen Euro) pro Jahr aus dem EU-Haushalt. 274 Millionen Pfund davon fließen als Direktzahl­ungen an Landwirte. Daneben gibt es pro Jahr unter anderem 80 Millionen Pfund für Projekte aus Entwicklun­gsprogramm­en für den ländlichen Raum und 295 Millionen Pfund sogenannte Strukturhi­lfen. Zu letzteren zählen zum Beispiel Gelder für Projekte zur Unterstütz­ung kleiner und mittlerer Unternehme­n.

Der Regierungs­chef von Wales, Mark Drakeford (Labour-Partei), kritisiert­e den Premiermin­ister scharf auf Twitter: „Keine Anerkennun­g, dass Lebensgrun­dlagen in Gefahr sind. Keine ernsthafte­n Antworten. Kein Plan für die Bauern von Wales.“

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Foto: Duncan McGlynn, Getty Boris Johnson unternimmt enorme finanziell­e Kraftanstr­engungen. Seine EU-Partner will der Premiermin­ister vorerst nicht treffen.

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