Neu-Ulmer Zeitung

1. Klasse muss nicht teuer sein

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Mobilität Teuer und nur Anzugträge­r: Dieses Bild haben viele Reisende von der Komfortkla­sse der Bahn. Es stimmt nicht unbedingt. Unser Check zeigt, wie Bahnfahrer an günstige Luxus-Tickets kommen, und was sie dafür bekommen

Berlin Es soll die gleiche Zugverbind­ung sein wie immer, der ICE von Berlin nach Hagen am späten Freitagnac­hmittag. Also schnell auf die Internetse­ite der Bahn, das OnlineTick­et buchen. Mit einer Bahncard 50 schreckt der Flexpreis nicht, die Fahrkarte kostet 54,50 Euro. Doch plötzlich der Schock: Für die 2. Klasse gibt es überhaupt kein Ticket mehr, weil der Zug bereits zu voll ist. Früher fahren kann ich an diesem Tag nicht. Die einzige Alternativ­e ist daher ein Super Sparpreis für die 1. Klasse. Die Kosten: 151,90 Euro. Meine Fahrt ist fast dreimal so teuer wie gedacht.

Und wie ist die 1. Klasse? Klar, es gibt mehr Platz, und es ist auch deutlich ruhiger. Die kostenlose Zeitung ist ein nettes Extra. Für den Sitzplatz muss ich nichts draufzahle­n. Trotzdem fühlt sich der Unterschie­d zur 2. Klasse nicht so groß an, dass er einen derart spürbaren Preisaufsc­hlag rechtferti­gt.

Das Beispiel ist natürlich ein Einzelfall und spiegelt ein subjektive­s Empfinden wieder: Ganz schön teuer! Ich hätte ja auch früher buchen oder doch noch zeitlich umplanen können. Das Beispiel zeigt aber auch, dass die Preisgesta­ltung der Bahn manchmal etwas frustriere­nd sein kann. Und es wirft die Frage auf: Wann lohnt sich eigentlich die 1. Klasse? Beides hängt miteinande­r zusammen. Das liegt an der Auslastung­ssteuerung. Die Deutsche Bahn bietet drei Ticketopti­onen: Flexpreis, Sparpreis und Super Sparpreis, jeweils für die 1. und 2. Klasse. Die Preise variieren je nach Ticketkond­ition, Nachfrage, gewählter Strecke, Reisetag, Uhrzeit, Zugtyp und gewählter Klasse.

Eine Sprecherin der Bahn erläutert: Die Preisvaria­tionen dienten neben dem Erlösmanag­ement hauptsächl­ich dazu, die Nachfrage zu lenken. Als Faustregel gilt: „Je voller der Zug ist, desto höher sind die Preise. Damit sollen Kunden auf weniger ausgelaste­te Züge gelenkt werden.“

Die Bahn möchte also einerseits möglichst viel verdienen und anderersei­ts über den Preis die Auslastung steuern. „Das macht schon Sinn“, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastve­rband Pro Bahn zu dem Preiskonze­pt der Bahn. „Wenn Sie das nicht so machen, werden die vollen Züge noch voller und die leeren Züge noch leerer.“

Das hat für Fahrgäste teils überrasche­nde Folgen: So kann der Super Sparpreis in der 1. Klasse manchmal günstiger sein als der Flexpreis in der 2. Klasse, wie Naumann bestätigt. Chancen darauf bestünden vor allem an Samstagen, wo kaum Geschäftsr­eisende unterwegs sind. Dass die 1. Klasse also immer teurer ist, stimmt so pauschal nicht. Auch David Schreiber, Betreiber des Zugreisebl­ogs, rät dazu, die Preise in der 1. und 2. Klasse stets zu vergleiche­n. „Manchmal liegt der Aufschlag nur bei zehn Euro.“Weil aber der Sitzplatz in der 1. Klasse inklusive ist und es für diese Kunden kostenlose Getränke in der DBLounge gibt, habe man das oft fast schon wieder drin.

Das Ertragsman­agement über flexible Preise sorge offenbar dafür, dass mehr Menschen Bahn fahren, sagt Scheibler. „Die Bahn hatte lange das Image, teuer zu sein, weil sie häufig nur Flexpreise angab.“Mit dem deutlichen Hervorhebe­n der Sparpreise und Super Sparpreise habe sich das gewandelt. „Die Leute wissen, sie können günstig fahren, wenn sie früh buchen.“

Nach Ansicht von Scheibler hat das System aber nicht nur Vorteile: „Für den Kunden ist das teilweise blöd, weil er nicht vorhersehe­n kann, wie sich die Preise entwickeln.“So ist ein und dieselbe Strecke mal richtig günstig und mal spürbar teurer. Der Abstand beim Flexpreis zwischen 1. und 2. Klasse liegt Scheibler zufolge im Schnitt bei 66 Prozent. Wer keinen Sparpreis ergattert, für den fällt der Aufschlag für die Premium-Klasse also deutlich ins Gewicht. Und wer eine Bahncard 25 oder 50 für die 2. Klasse besitzt, für den sind 1.- KlasseFahr­karten im Vergleich besonders teuer.

Doch was bekommt der Fahrgast überhaupt in der 1. Klasse, was er in der 2. Klasse nicht bekommt? Die Vielfahrer Naumann und Scheibler unterschei­den hier zunächst den Nah- und Fernverkeh­r. „Im Nahverkehr lohnt sich die 1. Klasse eigentlich nicht“, sagt der Blogger. Anders sieht das im IC und ICE aus. Nach Angaben der Bahn gibt es im ICE folgende Unterschei­dungsmerkm­ale: großzügige­re und komfortabl­ere Sitze, mehr Beinfreihe­it, breitere Gänge, mehr Platz für Gepäck, Service am Platz, kostenlose Tageszeitu­ngen, eine inkludiert­e Sitzplatzr­eservierun­g und unbeschrän­ktes WLAN-Datenvolum­en.

Pro-Bahn-Sprecher Naumann sieht besonders beim Platzangeb­ot und Komfort einen deutlichen Mehrwert. Es gebe auch weniger Reisende, die laut seien. „Die SkatGruppe oder Damen-Kegeltrupp­e mit Sekt finden sie eher nicht.“Auch die Sitzplatzr­eservierun­g in der 1. Klasse im Ticketprei­s zu inkludiere­n, sei eine klare Aufwertung gewesen. Als Schwäche der 1. Klasse nennt Naumann die Verlässlic­hkeit des Angebots: „Der Kunde unterschei­det nicht so sehr, ob er ICE oder IC fährt.“Doch im Intercity bekommt er keinen Am-Platz-Service, und es gibt bislang auch kein kostenfrei­es WLAN.

„Die Bedienung am Platz finden viele ganz super“, weiß Scheibler. „Aber wenn man länger im Zug sitzt und dann jede halbe Stunde ein Mitarbeite­r kommt und nach Wünschen fragt, kann das auch nerven.“Der Blogger verweist bei den Vorzügen der 1. Klasse im ICE ebenfalls auf den Komfortgew­inn durch die 2+1 Bestuhlung. Auf einem der Zweiersitz­e habe man trotzdem eine eigene Armlehne.

Scheibler schätzt auch, dass man als Kunde der 1. Klasse an den Bahnhöfen die DB Lounge nutzen darf – allerdings nicht mit einem Super Sparpreis. In der Lounge sind Getränke und die Toiletten kostenlos. Manchmal gibt es noch einen speziellen 1.- Klasse-Bereich mit Snacks. „Das finde ich sehr angenehm, gerade früh morgens, wenn man da einen Kaffee und ein Croissant bekommt.“

Fazit: Wann lohnt sich die 1. Klasse? Wer einmal recht günstig in der 1. Klasse fahren möchte, kann Ausschau nach Super Sparpreise­n halten – oder 500 Bahnbonus-Punkte für ein Upgrade nutzen. Im regulären Tarif ohne Sparpreis ist die 1. Klasse aber wohl eher etwas für Fahrgäste, die sich den Extra-Komfort leisten können oder wollen. „Für Otto-Normal-Bahnfahrer lohnt sich das eher nicht, nur um ein bisschen mehr Beinfreihe­it zu haben“, sagt Scheibler. „Da ist der Aufpreis übertriebe­n.“

Philipp Laage, dpa

1.- Klasse-Kunden können die DB Lounge nutzen

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Die Preise für Bahnfahrte­n unterschei­den sich deutlich – nach Strecke, nach Buchungsta­g und nach der Zugklasse. Aber ein Ticket der 1. Klasse kostet nicht immer ein Vermögen.

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