Neu-Ulmer Zeitung

Es grünt so grün im Kabinett

- VON HENRY STERN

Klimaschut­zprogramm Ein Verbot von Plastiktüt­en, Millionen neuer Bäume und mehr Windenergi­e – das bayerische Kabinett will ein „Signal für die Umwelt setzen“

München Ein lauschiges Plätzchen hatte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) für die letzte Sitzung seiner Minister-Runde vor der Sommerpaus­e ausgesucht: Im Schatten der Platanen gleich hinter der Staatskanz­lei im Münchner Hofgarten hatte das Kabinett rund um einen langen Tisch auf Holzbänken Platz genommen, um unter Beobachtun­g zahlreiche­r Touristen mehr als zwei Stunden lang bayerische Maßnahmen gegen den Klimawande­l zu diskutiere­n. Schließlic­h sei der Klimaschut­z „ein Projekt für alle“, erklärte Söder hinterher. Da kann etwas Öffentlich­keit nicht schaden. Die hübschen Bilder für die zahlreiche­n Fotografen und Fernsehkam­eras dürften Söder allerdings auch nicht gestört haben.

Was zumindest aus der Ferne aussah wie ein gemütliche­s Picknick im Freien, sei ein ernsthafte­s Ringen die richtigen Antworten auf ein politische­s Megathema gewesen, beteuerte der Regierungs­chef. Schließlic­h sei „die Bewahrung der Schöpfung ein sehr bayerische­s Konzept“– und Wachstum und Fortschrit­t im Freistaat stets auch „mit der Bewahrung der Heimat verbunden“.

Die als externe Experten geladenen Wissenscha­ftler des bayerische­n „Klimarates“um den aus dem Fernsehen bekannten Professor Harald Lesch hätten zudem die Dringlichk­eit effektiver Klimapolit­ik sehr eindrucksv­oll auf einem Bierdeckel zusammenge­fasst, berichtete Söder: „Wir müssen jetzt handeln, sonst droht der Klimainfar­kt“, lautete sein Fazit.

Söder wäre aber nicht Söder, wenn er seinem bayerische­n Maßnahmenp­aket nicht auch gleich noch ein paar eindrucksv­olle Überschrif­ten geben würde: Gar ein „Jahrhunder­tvertrag“müsse die bayerische Klimastrat­egie werden, die seine Regierung im Herbst beschließe­n werde. Zum „Pionierlan­d“für „Cleantech“– also saubere Technik – werde er Bayern machen. Auch werde der Freistaat die erste „klimaneutr­ale Staatsverw­altung“bekommen. Gelingen soll dies unter anderem durch einen überpartei­lichen Schultersc­hluss für ein Klimaschut­zziel in der Verfassung: „Wir brauchen hier nationale Verantwort­ung“, findet Söder. Für den Wahlkampf sei das Thema, das den Grünen zuletzt ungeahnte Höhenflüge bescherte, jedenfalls denkbar ungeeignet, erklärte er.

„Am Ende des Tages sind es konkrete Maßnahmen, die den Klimaschut­z in die Fläche bringen“, bremste Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) Söders Überschwan­g. „Freiwillig­keit vor Verboten“soll dabei als eiserner Grundsatz gelten: So sollen künftig etwa private Solaranlag­en statt neuum en Ölheizunge­n gefördert werden. Im Staatswald sollen hundert neue Windräder entstehen. Der Freistaat will künftig auf Plastiktüt­en, Einweggesc­hirr und sogar Plastikhül­len für Dokumente verzichten und die Kommunen mittels „freiwillig­er Selbstverp­flichtung“auf denselben Kurs einschwöre­n. Der Staatswald soll mit neuen Baumarten „klimafest“gemacht werden. Privatwald­besitzer sollen mit neuen Förderprog­rammen diesem Kurs folgen. Denn „Fichten und Buchen werden in dieser Form nicht mehr bestehen“, warnt Forstminis­terin Michaela Kaniber (CSU): „Wir müssen noch schneller sein als der Klimawande­l.“

Viel „Geklapper“, aber zu wenig Konkretes enthalte Söders hübsch verpacktes Klimaprogr­amm, kritisiert­e Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann: Eine echte Mobilitäts­und Energiewen­de sei so nicht zu erreichen.

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Foto: Mirgeler, dpa In der letzten Sitzung vor der Sommerpaus­e tagte das Kabinett im Münchner Hofgarten – wie passend, dass es thematisch um den Umweltschu­tz ging.

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