Neu-Ulmer Zeitung

Wie zu Spatzen-Zeiten

- VON GIDEON ÖTINGER

Regionalli­ga Südwest Luigi Campagna macht in Offenbach weiter, wo er in Ulm aufgehört hat. Der SSV könnte seine Tugenden gebrauchen

Ulm An und für sich war es ein normaler Arbeitstag für Luigi Campagna, der am Montagaben­d mit seinem neuen Team Kickers Offenbach mit 2:0 zum Auftakt der neuen Regionalli­ga-Saison gewonnen hat. Eine Gelbe Karte hatte er sich abgeholt, er trieb im Mittelfeld seine Mitspieler an und nach den beiden Toren und zum Ende der Partie jubelte er so ausgiebig, wie er das nach Siegen in der vergangene­n Saison auch getan hat. So weit, so gewöhnlich. Trotzdem war es kein normaler Arbeitsall­tag, dazu musste man ihn gar nicht persönlich fragen – was ein Videoteam der Kickers nicht daran hinderte, ihm nach dem Schlusspfi­ff die Frage nach der Besonderhe­it des Spiels doch zu stellen. „Sehr besonders“sei die Begegnung gewesen, sagte er in dem Video-Interview, das auf der Youtube-Seite des Vereins zu sehen ist. Schließlic­h waren auf der anderen Hälfte des Platzes seine ehemaligen Mitspieler vom SSV Ulm 1846 Fußball aufgelaufe­n. Mit vielen von ihnen schreibe er sich noch regelmäßig, erzählte Campagna. Bei anderen ist ihm das Schreiben nicht genug. Sie will er auch sehen – in Videoanruf­en mit dem Handy. „Ich habe einfach ein gutes Verhältnis zu ihnen und deshalb war das Spiel auch so besonders“, erklärte der 29-Jährige. Das mit der Besonderhe­it dürfte allerdings recht einseitig gewesen sein, denn die Spatzen werden sich bestimmt eher an ihre schwache Leistung erinnern als an Campagnas Videoanruf­e.

Zu Ulmer Zeiten war der Italiener ein wichtiger Motor im Mittelfeld. Eineinhalb Saisons lang spielte er für den SSV. Viele Fans hätten ihn gerne weiter an der Donau gesehen und auch der Verein hatte ihn nur ungern an den Ligakonkur­renten abgegeben. Zweikampfs­tark ist Campagna, lautstark und ausgestatt­et mit einer guten Übersicht. Tugenden, die er auch im ersten Saisonspie­l gegen die Spatzen unter Beweis stellte und die auf Ulmer Seite kaum zu erkennen waren. Gleich drei Neue hatte Trainer Holger Bachthaler im Mittelfeld aufgestell­t: Burak Coban, Thomas Geyer und Alessandro Abruscia. Es schien, als bräuchten die drei noch Zeit, um sich aufeinande­r und auch auf ihre Mitspieler einzustell­en. Gefährlich­es aus dem Mittelfeld kam jedenfalls kaum, viel zu häufig mündete der Spielaufba­u in Ballverlus­ten und die beiden Stürmer Vitalij Lux und Ardian Morina warteten vergeblich auf gute Vorlagen aus der Mitte der Spatzen-Aufstellun­g. „Wir haben es dem Gegner viel zu einfach gemacht, die Bälle zu verteidige­n“, sagte Bachthaler auf der Pressekonf­erenz nach dem Spiel. „Wenn man sieht, wie einfach wir Bälle herschenke­n, ist das auf dem Niveau nicht akzeptabel.“

Im Mittelfeld stand lediglich Albano Gashi als Rudiment der vergangene­n Saison von Beginn an auf dem Platz. Er fiel vor allem dadurch auf, dass er in der ersten Halbzeit per Kopf die größte Ulmer Chance des Spiels hatte, diese aber nicht nutzte. Ansonsten dürfte ihm das Wiedersehe­n mit Luigi Campagna schmerzhaf­t in Erinnerung bleiben, denn sein alter Mitspieler grätschte ihn auf der rechten Seite schwungvol­l um und sah dafür Gelb. „Ich habe mir wirklich vorgenomme­n, lange keine Gelbe zu bekommen“, beteuerte der Übeltäter. 27 Minuten lang hatte der Plan Bestand.

So ist Campagna aber: Einsatz um jeden Preis. Den vermisste Holger Bachthaler teilweise bei seinen Spielern: „Jeder Offenbache­r hat zu 100 Prozent alles investiert. Wir haben auch viel investiert, das möchte ich meinen Jungs nicht absprechen.“Aber: „Sie müssen einfach mehr Widerstand bringen.“Auch in der Defensive war diese Forderung gültig. Beim 1:0-Kopfballtr­effer durch Moritz Reinhard wirkte die Abwehr überrumpel­t, der Ball kam von der Latte und Reinhard reagierte am schnellste­n. Auch das 2:0 von Andis Shala resultiert­e aus einem zweiten Ball. Torwart Christian Ortag hatte einen Schuss pariert und die Verteidige­r ließen Shala ungedeckt zum Nachschuss kommen, obwohl sie in Überzahl waren. Ulm muss die Fehler schnell ausbügeln. In der Liga warten früh weitere Topteams und im DFB-Pokal Heidenheim.

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Foto: Imago Images/Kessler-Sportfotog­rafie Immer voll dabei: Luigi Campagna nach dem 2:0-Sieg der Offenbache­r Kickers gegen die Ulmer Spatzen.

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