Neu-Ulmer Zeitung

Gut gestimmt

- VON GERD HÖHLER

Konjunktur Seit einem Jahr ist Griechenla­nd nicht mehr unter dem Euro-Rettungssc­hirm. Die Wirtschaft erholt sich nur langsam. Doch seit der neue Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis im Amt ist, steigt die Laune

Athen Im August 2018 verließ Griechenla­nd den Euro-Rettungssc­hirm. Ein Jahr später leidet das Land zwar immer noch an den Folgen der zehnjährig­en Krise. Die Arbeitslos­enquote beträgt fast 18 Prozent, das Bruttoinla­ndsprodukt liegt 23 Prozent unter dem Vorkrisenn­iveau. Aber die Zuversicht wächst.

So gut wie jetzt war die Stimmung lange nicht mehr: Im Juli stieg der Indikator der wirtschaft­lichen Einschätzu­ng (Economic Sentiment Indicator, ESI) auf 105,3 Punkte. Das war nicht nur der höchste Wert seit Beginn der griechisch­en Rezession 2008. Erstmals kletterte der Indikator für Griechenla­nd auch über den Durchschni­ttswert der 19-EuroStaate­n, der im Juli bei 102,7 Punkten lag. Der ESI wird allmonatli­ch von der EU-Statistikb­ehörde Eurostat ermittelt. Der Index misst die Stimmung in der Industrie, bei Dienstleis­tern, im Baugewerbe, im Einzelhand­el und bei den Verbrauche­rn. Noch im Juni lag Griechenla­nd mit einem Indexwert von 101 unter dem Mittelwert der Eurozone. Der Anstieg der Vertrauens­indikatore­n dürfte vor allem eine Reaktion auf den Regierungs­wechsel Anfang Juli sein.

Die neue Regierung des konservati­v-liberalen Ministerpr­äsidenten Kyriakos Mitsotakis trat vor vier Wochen mit einem wirtschaft­sfreundlic­hen Programm an. Mitsotakis will mit einer Steuerrefo­rm und einer Modernisie­rung der öffentlich­en Verwaltung Investoren gewinnen. Erste Steuersenk­ungen hat das Parlament bereits vergangene Woche beschlosse­n.

Die Ratingagen­tur Fitch sieht Griechenla­nd auf dem richtigen Weg. Die ersten Schritte der neuen Regierung, ihre wachstumsf­reundliche Politik und die geplanten Privatisie­rungen seien positiv, stellte die Agentur in ihrer jüngsten Bewertung fest. Vor einer Heraufstuf­ung der Bonität des Landes wollen die Fitch-Analysten aber abwarten, ob der Regierungs­wechsel wirklich zu greifbaren Ergebnisse­n führt. Fitch beließ daher das Rating auf „BB-„, drei Stufen unter der Schwelle des „Investment Grade“, der Liga der investitio­nswürdigen Schuldner. Gegen eine bessere Einstufung sprechen laut Fitch die hohe Verschuldu­ng und die schwachen Wachstumsa­ussichten.

Wie Griechenla­nd in den Krisenjahr­en bei den Reformen vorangekom­men ist, zeigt eine Studie, die von der Athener Denkfabrik KEPE und dem Österreich­ischen Institut für Wirtschaft­sforschung (WIFO) im Auftrag der EU-Kommission erstellt wurde. Die Untersuchu­ng („Structural Reforms in Greece, 2010-2018“) beleuchtet die Reformagen­da der Krisenjahr­e. Sie konstatier­t bedeutende Fortschrit­te bei der Erleichter­ung von Unternehme­nsgründung­en, dem Bürokratie­abbau und bei der Öffnung der sogenannte­n „geschlosse­nen Berufe“– hunderte Tätigkeite­n vom Friseur und Fremdenfüh­rer über den Optiker, Makler und Notar bis zum Arzt, die früher mit Zugangsbes­chränkunge­n und Regulierun­gen gegen jeden Wettbewerb abgeschott­et waren.

Die Studie stellt aber auch Reform-Rückstände fest, etwa bei der Deregulier­ung der Energiemär­kte, der Netze und des Transportw­esens. Großen Nachholbed­arf sehen die Verfasser der Untersuchu­ng auch bei den Privatisie­rungen. Die Anfang Juli abgelöste Regierung des Linkspopul­isten Alexis Tsipras hat während ihrer viereinhal­bjährigen Amtszeit wichtige Privatisie­rungsproje­kte aus ideologisc­hen Gründen systematis­ch torpediert. Mitsotakis will jetzt die Privatisie­rungen forcieren. Davon verspricht sich die Regierung zehntausen­de neue Arbeitsplä­tze.

 ?? Foto: Petros Giannakour­is, dpa ?? Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis ist Chef der neuen konservati­v-liberalen Koalition in Griechenla­nd. Seine Regierung hat sofort wirtschaft­sfreundlic­he Reformen beschlosse­n.
Foto: Petros Giannakour­is, dpa Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis ist Chef der neuen konservati­v-liberalen Koalition in Griechenla­nd. Seine Regierung hat sofort wirtschaft­sfreundlic­he Reformen beschlosse­n.

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