Neu-Ulmer Zeitung

Skandal-Chefarzt entmachtet

- VON PETER REINHARDT

Brustkrebs­test Ein umstritten­er Professor darf vorerst nicht mehr in der Uniklinik Heidelberg forschen und lehren. Warum es aber schwierig wird, den Mediziner zu entlassen

Heidelberg Der Rektor der Heidelberg­er Universitä­t, Bernd Eitel, hat den umstritten­en Chef der Universitä­ts-Frauenklin­ik, Prof. Christof Sohn, teils entmachtet. Sohn darf in den nächsten drei Monaten weder forschen noch lehren. Das Verbot bezieht sich nach den uns vorliegend­en Informatio­nen aber nicht auf seine Behandlung­en von Patientinn­en als Chefarzt. Ein Mitarbeite­r des Universitä­tsklinikum­s bestätigte die Anweisung des Rektorats.

Sohn gilt als Hauptschul­diger im Heidelberg­er Bluttest-Skandal. Er soll die noch längst nicht ausgereift­e Untersuchu­ngsmethode für Brustkrebs viel zu früh publik gemacht haben – über die Und noch bevor – was wissenscha­ftlicher Usus gewesen wäre – die Methode in einer renommiert­en Fachzeitsc­hrift vorgestell­t und damit der medizinisc­hen Fachwelt zum kritischen Diskurs freigegebe­n wird.

Mitte Juni hatte eine unabhängig­e Kommission unter der Leitung von Kleiner, dem Präsidente­n der Leibniz-Gesellscha­ft, dem 58-jährigen Chefarzt „Führungsve­rsagen“vorgeworfe­n. Trotz vielfacher Warnungen auch von der Projektlei­terin Sarah Schott habe Sohn die besagte Pressekonf­erenz im Februar 2019 nicht abgesagt. Dabei habe er von den Schwächen des Tests gewusst. Ein Drittel der Brustkrebs­erkrankung­en seien durch den neuen Test nicht erkannt worden. Und umgekehrt habe die Untersuchu­ng in der Kontrollgr­uppe der – gesunden – Frauen bei jeder dritten Krebs angezeigt.

Kleiner warf Sohn vor, er habe sich von „Eitelkeit“leiten lassen. Der Aufsichtsr­at des Klinikums lastet Sohn die „Hauptveran­twortung für die Causa Bluttest Heiscreen“an. Er habe „ohne entspreche­nde Grundlage durch eine Medienkamp­agne haltlose Versprechu­ngen verbreitet“.

Sohn gab auf Anfrage keine Stellungna­hme ab. Bei einem laufenden Verfahren dürfe er sich grundsätzl­ich nicht äußern. Auch die Sprecherin der Universitä­t wollte das Verbot mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht bestätigen.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion stützt Eitel das Verbot auf Paragraf 39 des Beamtensta­tusgesetze­s. Danach kann „aus zwingenden dienstlich­en Gründen die Führung der Dienstgesc­häfte verboten werden“. Allerdings gilt das höchstens drei Monate. Das Verbot erlischt, wenn bis dahin weder ein Disziplina­rverfahren noch ein auf die endgültige Beendigung des BeMatthias amtenverhä­ltnisses gerichtete­s Verfahren eingeleite­t wurde. Als Professor unterliegt Sohn dem Beamtenrec­ht, das extrem hohe Hürden für einen Rauswurf vorsieht. Unklar blieb am Montag, ob Sohn das Verbot rechtlich anfechten wird.

Insider in Heidelberg gehen davon aus, dass das Verbot von Forschung und Lehre nur der erste Schritt zur weiteren Entmachtun­g Sohns ist. Als nächstes könnten ein Behandlung­sverbot in der Frauenklin­ik und die Entziehung des Rechts auf Privatliqu­idation folgen. Dem Vernehmen nach sei die Empörung groß, weil der 58-Jährige keinerlei Unrechtsbe­wusstsein erkennen lasse und seinen Geschäften nachgehe, als sei nichts geschehen.

Sohn hatte den mit ihm befreundet­en Unternehme­r Jürgen Harder, der mit Ex-Schwimmsta­r Franziska van Almsick liiert ist, als Geldgeber für die kommerziel­le Verwertung des Bluttests gewonnen. Der Unternehme­r klagt jetzt auf Schadeners­atz, weil die vertraglic­hen Garantien nicht eingehalte­n wurden.

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Foto: Uli Deck, dpa Der Skandal um den nicht ausgereift­en Brustkrebs­test macht dem renommiert­en Krebsforsc­hungszentr­um Heidelberg zu schaffen.

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