Müssen sich die Museen weiter öffnen?
Kultur In vielen Häusern wird darüber diskutiert, auf Eintritt zu verzichten. Memmingen ist in der Region vorgeprescht, Ulm probiert es im Kleinen. Dabei gibt es dort ein Musterbeispiel
Ulm Die Sonderausstellung „Sachen gibt’s“im Museum Ulm ist in vielerlei Hinsicht besonders: Weil überwiegend keine spektakulären Kunstschätze, sondern Funde aus dem Depot gezeigt werden. Weil die Besucher selbst mitentscheiden können, was wie ausgestellt wird. Die größte Besonderheit steht aber auf dem Plakat: „Eintritt frei!“Kostenlos ins Museum? Ein interessantes Angebot, möchte man meinen, doch laut Direktorin Stefanie Dathe macht sich die Aktion bislang wenig bis gar nicht bemerkbar: „Es ist einfach Hochsommer, da kommt eh keiner zu uns“, sagt sie und seufzt.
Der freie Eintritt ins Museum – ein Rohrkrepierer? Ganz so einfach ist es nicht, auch wenn den Befürwortern dieser Idee zuletzt etwas der Wind aus den Segeln genommen wurde: Einer Studie des Berliner Instituts für Museumsforschung zufolge bringt kostenloser Eintritt nur kurzfristig einen Anstieg der Besucherzahlen (wir berichteten). Damit der Effekt anhält, müssten Ausstellungshäuser in begleitende Marketingmaßnahmen und Vermittlungsangebote investieren. Zudem lasse sich eine höhere Besucheranzahl durchaus auch anders realisieren, wie die Forscher durch eine Befragung von mehr als 4800 Museen in Deutschland herausfanden, etwa durch mehr Öffentlichkeitsarbeit und Sonderausstellungen.
Doch es gibt durchaus einen anderen Blick auf das Thema: Auch in der Region muss man bei einigen kleineren Häuser, wie den Museen des Landkreises Neu-Ulm, schon seit Jahren nichts bezahlen. Seit 1. Mai gibt es einen interessanten Präzedenzfall: In den städtischen Museen in Memmingen ist seitdem der Eintritt frei. Ziel sei es, die Besucherzahlen zu steigern und auch Menschen anzusprechen, die ansonsten kein Museum besuchen würden, hieß es vonseiten der Kommune. Die Regelung gilt für zunächst drei Jahre.
Auch Stefanie Dathe, die Leiterin des Museums Ulm, hätte gerne einen solchen Versuch für ihr Haus. Sie ist überzeugt, dass freier Eintritt nicht nur ein Lockmittel ist, sondern den Charakter eines Museums verändern kann: Es wäre dann nicht mehr eine Institution, bei der man zahlt und dann seinen Eintritt gewissermaßen abläuft, sondern ein Treffpunkt, wie beispielsweise eine Bibliothek. Ein Ort für möglichst viele Menschen, nicht nur für typische Museumsbesucher. Die Gefahr, von Besuchern überrannt zu werden, bestehe in Ulm nicht. Doch Dathe gibt zu: Das Projekt „freier Eintritt“steht auf ihrer Prioritätenliste nicht ganz oben. Und sie bemerkt, dass das Museum ServiceLeistungen wie Führungen oder Kinder-Workshops anbietet: „Es sollte nicht so wahrgenommen werden, als ob das nichts wert ist.“
Was nichts kostet, ist nichts wert? Diese sehr schwäbische Idee taucht immer wieder in der Debatte auf, wenn es um das Thema Eintrittspreise in Museen geht. So wunderte sich vor einiger Zeit Julia Lidl-Böck (CSU) im Neu-Ulmer Stadtrat darüber, dass die jüngsten Besucher im Kindermuseum des Edwin-ScharffMuseums gar nichts bezahlen müssten. Sie verwies darauf, dass vergleichbare Spezialmuseen sehr wohl einen Obolus verlangen. Museumschefin Helga Gutbrod hielt dagegen – und betonte, dass solche Häuser dann auch ein anderes Publikum hätten. Sie meinte: die Kinder der besser verdiendenden Akademiker, die selbst typische Museumsbesucher sind. (Und es der eingangs genannten Studie zufolge auch bei freiem Eintritt bleiben.) „Verwaltungsintern wird das Thema derzeit bearbeitet, da von einer Stadträtin ein entsprechender Antrag eingereicht wurde“, heißt es aus dem Museum. Die Behandlung ist für die Zeit nach der Sommerpause anberaumt. Eine Ausweitung des Angebots auf die Erwachsenen ist jedenfalls kein Thema in Neu-Ulm, wie die stellvertretende Museumsleiterin Birgit Höppl meint: Der aktuelle Eintritt von fünf Euro sei nach den Erfahrungen an der Kasse keine Barriere. Im Gegenteil: Manche Eltern wunderten sich, dass der Zugang für ihre Kinder nichts kostet.
Alltag ist der freie Eintritt im Stadthaus am Münsterplatz. Und das muss aus Sicht von Leiterin Karla Nieraad auch so bleiben: „Das Stadthaus ist als Erweiterung des Münsterplatzes konzipiert, als offenes Haus.“Im Stadthaus sei die Idee der Teilhabe verwirklicht: Deswegen kämen auch mehr und andere Besucher – und es komme durchaus vor, dass Menschen nur vor Regen in das Gebäude flüchten und dann dort in einer Ausstellung hängen bleiben. Nieraad ist klar für freien Eintritt: „Wenn wir es mit der sozialen Teilhabe ernst meinen, dann müssen wir die Museen für alle öffnen.“Öffentliche Museen seien kein Freizeitangebot für eine Elite, sondern Bildungsanstalten. Davon abgesehen, spielten die Eintrittseinnahmen bei vielen Häusern im Budget kaum eine Rolle. Für das Stadthaus habe man das schon durchkalkuliert: Würde man Eintritt verlangen, bräuchte man zusätzliches Personal – und müsste die Öffnungszeiten deutlich einschränken. Die Rechnung gehe nicht auf, sagt Nieraad. Und das Stadthaus wäre nicht mehr das Stadthaus. »Kommentar