Wenn der Zoll zum Röntgen bittet Die Beamten kontrollieren längst nicht mehr (nur) an den Grenzen. Sie müssen und wollen unberechenbar sein. Und stehen mitunter auch an der A8 bei Günzburg – um sich wenige Kilometer weiter Fahrzeuge und Insassen genau anz
Leipheim Im Scheinwerferlicht zieht der Verkehr vorüber. Die Kennzeichen der Fahrzeuge sind nur ganz kurz zu erkennen. Doch das reicht Günther Maucher und seinem Kollegen, der am Steuer sitzt, um zu sehen, welcher Wagen sich für eine Überprüfung eignen könnte. Sie warten mit einem grün-weißen Kombi an der Autobahn-Anschlussstelle Günzburg in Richtung Stuttgart. Das Blaulicht auf dem Dach, der Bundesadler und die Aufschrift an den Seiten zeigen: Hier steht der Zoll. Zuständig ist die Kontrolleinheit Verkehrswege des Hauptzollamts Augsburg, die in Kempten stationiert ist und sich an diesem Sonntagabend bis in die Nacht in einer ehemaligen Bundeswehrhalle und auf einer Freifläche des früheren Fliegerhorsts Leipheim ausgewählte Fahrzeuge genau ansieht.
Wer aus dem Verkehr gezogen wird, ist oft eine Entscheidung in Sekundenbruchteilen. Vor allem Fahrzeuge mit osteuropäischen Nummernschildern sind dieses Mal bei den Zöllnern gefragt. So beispielsweise ein Lastwagen mit litauischem Kennzeichen. Das Kontrollfahrzeug beschleunigt, kaum dass der Lkw an ihm vorbei gefahren ist, und folgt bis etwa einen Kilometer vor der nächsten Anschlussstelle Leipheim. Dann setzt sich der Kombi davor, der Fahrer drückt einen Knopf und eine Anzeige bedeutet dem Lastwagenlenker, dass er folgen soll. So fährt der Zoll voraus und der Lkw hinterher, bis die für diese Aktion angemietete Fläche erreicht ist. Kaum haben die Kollegen übernommen, macht sich der Kombi auch wieder auf den Weg zur A 8-Auffahrt Günzburg.
Der Fahrer wird befragt und darüber aufgeklärt, dass sein Gefährt jetzt geröntgt wird. Dafür hat sich die Kontrolleinheit extra Verstärkung von Kollegen aus Ulm geholt, wo eines von bundesweit drei mobilen Röntgengeräten des Zolls stationiert ist, die anderen beiden stehen in Köln und Lübeck. Wegen der Strahlung – „sie ist nicht höher als die während eines Flugs von Frankfurt nach New York“, erklärt Techniker Mathias Eule – muss der Fahrer außerhalb eines markierten und gesicherten Sperrbereichs warten.
Das in einem Lastwagen des Zolls verbaute Röntgengerät bewegt sich Elektroantrieb flott am zu überprüfenden Fahrzeug vorbei. Das entstandene Bild, ähnlich wie bei der Personen- und Gepäckkontrolle am Flughafen, zeigt: Offenbar sind tatsächlich nur Kartons mit Holzspielzeug geladen. Zumindest sind keine „Anomalien“erkennbar.
Bei einem anderen Lastwagen sieht das anders aus, der Bildauswerter hat Unregelmäßigkeiten entdeckt. Deshalb muss der Fahrer die Plane öffnen, ein Zöllner klettert auf die dicht gepackte Ladefläche – und erkennt dabei, dass wohl die unterschiedliche Fracht mit ihren unterschiedlichen Konturen Grund der Auffälligkeit ist. Neben weiteren Kleintransportern und Lastwagen wird so auch ein Fernreisebus aus Albanien gescannt, der verschiedene Stationen in Deutschland anfährt. Zuvor wird er in die dauerhaft angemietete Halle gelotst. Alle Passagiere müssen aussteigen, während der Rauschgiftspürhund Astan, ein Labradorrüde, an jedem einzelnen schnüffelt. Danach durchsuchen die Zöllner das Gepäck, der Hund durchstreift das Innere des Busses. Auch die Papiere von Reisenden und des Fahrers werden in einer Datenbank überprüft, so wie die Dokumente der anderen, die hier rausgezogen werden.
Günther Maucher, 59, Leiter des Sachgebiets Kontrollen, hat noch die Zeiten erlebt, als der Zoll an der Landgrenze kontrollierte. Bis auf die zur Schweiz ist die Behörde inzwischen auf stichprobenartige Überprüfungen angewiesen, die Arbeit an der Grenze habe den Vorteil gehabt, dass man wusste, wer aus dem Ausland einreist. Heute, im Binnenland, vermischt sich alles, „dafür rechnet hier kaum einer mit Kontrollen“. Früher seien sie einfamit cher gewesen, dafür gebe es heute die Reise- und Warenfreiheit. „Ich sehe das neutral“, sagt Maucher, alles habe Vor- und Nachteile.
Weil er neue Aufgaben bekommen hat und vorhandene intensivieren soll, wird der Zoll bundesweit aufgestockt. Deshalb werden beim Hauptzollamt Augsburg heuer 45 Nachwuchskräfte ausgebildet, angesichts von 500 Angehörigen insgesamt sei das bemerkenswert, findet Pressesprecherin Ute GreulichStadlmayer. Auch die Kontrolleinheit werde womöglich profitieren, aber die Strukturen würden gerade noch auf die Zukunftsfähigkeit hin überprüft.
Die Leiterin der Kontrolleinheit, Nicole Welter, schätzt ihre Arbeit vor allem, weil kein Tag sei wie der andere, „man weiß nie, was passiert“. Ihr Kollege Manfred Wölfel war früher in Pfronten eingesetzt und sicherte bis Anfang 1995 die grüne Grenze, auch mit Hund und auf Skiern, seither ist er bei der Einheit. Da es selbst innerhalb Europas keine einheitlichen Steuern gebe, aber dafür Schmuggler, würden Zöllner mit Sicherheit auch künftig gebraucht, eben um die Bürger und die Wirtschaft zu schützen.
Von 16 gescannten Fahrzeugen zwischen Sonntag und Montag von 20 bis 2 Uhr schauen sich die mehr als zehn Zöllner sechs näher an, finden aber nichts Spektakuläres. Sie treiben 500 Euro an offenen Rechnungen ein, stellen eine MarihuanaMühle sicher – und greifen eine Person auf, die illegal im Land ist. Ohnehin können sie nur „Nadelstiche“setzen, wie es Maucher formuliert, bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ihr Vorteil ist, dass sie überall auftauchen könnten. „Wir wollen unberechenbar sein.“