Neu-Ulmer Zeitung

Bayerns Flaute bei der Windkraft

- VON SARAH SCHIERACK

Umwelt Seit Jahren werden im Freistaat kaum Anlagen gebaut. Wo die Gründe liegen

Augsburg Der Ausbau der Windkraft in Deutschlan­d ist ins Stocken geraten – und Bayern hat daran einen großen Anteil. Seit Jahren sinkt die Zahl der Windräder, die in die Landschaft zwischen Garmisch und Coburg gebaut werden. Im vergangene­n halben Jahr wurde in Bayern kein einziges neues Windrad errichtet. Das zieht die deutsche Windkraft-Bilanz, die in diesem Jahr ohnehin historisch schlecht ausfällt, noch weiter nach unten. Experten sehen bereits das Gelingen der Energiewen­de gefährdet. Denn keine Technologi­e ist dafür so bedeutend wie die Windkraft.

In Bayern zeigt sich wie unter einem Brennglas, woran es beim Ausbau in Deutschlan­d hakt: Die Genehmigun­gen stauen sich, gegen viele Vorhaben wird geklagt. Im Freistaat landen nach einer Studie des Bundesverb­ands Windenergi­e 40 Prozent aller angemeldet­en Anlagen vor Gericht, meist geht es um den Naturschut­z. Dazu kommt eine weitere Hürde: Seit 2014 gilt in Bayern die 10H-Regel. Der Abstand von Windrädern zu Orten muss demnach im Regelfall das Zehnfache der Höhe der Anlagen betragen. Meist sind das etwa zwei Kilometer.

Raimund Kamm empfindet den Stand des bayerische­n WindkraftA­usbaus als „desaströs“. Der Sprecher des Bundesverb­ands Erneuerbar­e Energien im Freistaat sagt: „In Bayern sind wir in den letzten drei, vier Jahren eingeschla­fen.“Kamm beklagt, dass nicht ausreichen­d alternativ­e Energien gefördert werden, um die Lücke zu schließen, die durch die Abschaltun­g großer Kraftwerke entstanden sei. „Bayern ist zum Stromimpor­tland geworden“, sagt der ehemalige Landtagspo­litiker. Und das, obwohl die Windräder durch neue Technologi­e noch einmal effiziente­r geworden seien, die Stromprodu­ktion heute also deutlich ergiebiger ausfalle als etwa noch vor fünf Jahren.

Das sei ein Zustand, der kurzfristi­g tolerierba­r sei, auf lange Sicht aber gefährlich werde. Aber mit 10H, befürchtet Kamm, werde dieser Ausbau nicht klappen. Matthias Grote ist einer ähnlichen Meinung. „10H ist keine praktikabl­e Lösung“, sagt der bayerische Landesvors­itzende des Bundesverb­ands Windenergi­e. Der ursprüngli­che Gedanke, dass die Regelung für Akzeptanz in der Bevölkerun­g sorgen solle, habe sich nicht bewahrheit­et. Sandro Kirchner ist anderer Meinung. Der Politiker aus Bad Kissingen, der für die CSU im Landtag sitzt, ist ein Befürworte­r der Regelung: „Sie sorgt dafür, dass Windräder dort gebaut werden, wo sie auch gewollt sind.“Er schlägt vor, Anlagen zunächst einmal an jenen Standorten zu errichten, die nicht von der 10H-Regel betroffen sind.

Genau das hat Ministerpr­äsident Markus Söder zuletzt angekündig­t. Die Staatsregi­erung will in den kommenden zwei bis drei Jahren 100 neue Windräder in den Staatsfors­ten hochziehen – weitab von Städten, Dörfern und kampflusti­gen Bürgerbewe­gungen. Der Vorstoß ist Teil des Klimaschut­z-Feuerwerks, das der Ministerpr­äsident in den vergangene­n Wochen gezündet hat – und zugleich eine komplette Abkehr von der Politik der vergangene­n Jahre. Ob sich in den Staatswäld­ern jedoch 100 Standorte finden lassen, die nicht von der Regelung betroffen sind, ist noch umstritten.

Raimund Kamm findet trotzdem lobende Worte für den CSU-Politiker. „Markus Söder sieht die Zeichen der Zeit zumindest schon einmal verbal.“Das freue ihn. Nun müsse der Ministerpr­äsident aber für eine flächendec­kende Akzeptanz in der Bevölkerun­g werben. „Wir werden uns an eine Landschaft mit Windrädern gewöhnen müssen“, sagt er. „Da ist Söder gefordert.“

Mehr zum Stocken der Energiewen­de lesen Sie in der Wirtschaft. Im Leitartike­l geht es um den Klimaschut­z – und die Debatte darüber.

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