Neu-Ulmer Zeitung

Warum schlug niemand Alarm?

- VON JONAS VOSS

Skandal Die Staatsanwa­ltschaft bestätigt einen zweiten Verdachtsf­all der Tierquäler­ei im Unterallgä­u. Im Fall Bad Grönenbach stellt sich die Frage, wieso das alles erst jetzt aufkommt

Augsburg Die Geschehnis­se um den Hof in Bad Grönenbach und den Tier-Skandal lassen das Allgäu nicht los. Wie am Mittwochna­chmittag offiziell bestätigt wurde, steht nun ein weiterer Rinderhalt­er aus dem Landkreis Unterallgä­u unter dem Verdacht der Tierquäler­ei. Die Staatsanwa­ltschaft Memmingen teilte mit, Ermittlung­en gegen den Betrieb aufgenomme­n zu haben. Es seien Hinweise auf Verstöße in der Tierhaltun­g des Großbauern eingegange­n, die sich nach einer Vorprüfung bestätigt hätten.

Vor rund einer Woche hatte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it die bisherigen Erkenntnis­se über den ersten Fall von Tierquäler­ei in Bad Grönenbach vorgestell­t und von einem „relativ hohen Anteil“an kranken Tieren gesprochen. Bei einigen seien erhebliche, teils ältere Verletzung­en festgestel­lt worden. Bei 191 der gut 1700 Milchkühe habe es Auffälligk­eiten gegeben. Von 137 kontrollie­rten Kälbern seien 46 „behandlung­sbedürftig“gewesen. Die Tiere litten etwa an eitrigen Entzündung­en sowie Erkrankung­en von Augen, Gelenken und Eutern.

Unklar ist weiterhin, warum die Zustände nicht schon früher aufgedeckt wurden. Zwar war der Hof nach Angaben des zuständige­n Landratsam­tes Unterallgä­u in den vergangene­n fünf Jahren 34 Mal kontrollie­rt worden, dabei seien lediglich „tierschutz­rechtliche Verstöße im geringen bis mittleren Maße“festgestel­lt worden.

Am Schlachtho­f in Buchloe, an den Bad Grönenbach­er Tiere geliefert wurden, schlug offenbar ebenfalls niemand Alarm. Auf Nachfrage erklärte die Vion Food Group, die den Schlachtho­f unterhält, dass es seine Geschäftsb­eziehung zu dem Hof am 9. Juli eingestell­t hat. Wie viele Tiere aus Bad Grönenbach bei Vion geschlacht­et wurden, möchte die Firma nicht sagen. Dafür betont sie, dass für die Kontrolle der angeliefer­ten Tiere ein amtlich bestellter Veterinär zuständig sei. „Der Gesetzgebe­r gibt vor, in welchen Fällen ein Tier geschlacht­et werden und wann es nicht geschlacht­et und als Fleisch in die Lebensmitt­elkette gelangen darf“, lässt sich das Unternehme­n zitieren und verweist auf die Zuständigk­eit des Landratsam­tes Ostallgäu. Dort nachgefrag­t, erklärt ein Sprecher, alle von den Veterinäre­n festgestel­lte Auffälligk­eiten seien an die für den Hof in Bad Grönenbach zuständige­n Behörden, also das Landratsam­t Unterallgä­u, weitergele­itet worden. Dort nachgefrag­t, erklärt eine Sprecherin, dass im vergangene­n Jahr 1,7 Prozent der aus Bad Grönenbach zu Schlachthö­fen gebrachten Tiere beanstande­t worden seien. 2019 waren es bisher 0,41 Prozent. „Nach unserer Einschätzu­ng sind diese Zahlen für einen Betrieb dieser Größe unauffälli­g“, erläutert die Behörde. Nach Recherchen des

läuft die Zusammenar­beit von Veterinär und kontrollie­rtem Betrieb allerdings manchmal anders als gewünscht. Gegenüber dem Sender gaben dutzende Tierärzte aus ganz Deutschlan­d an, Druck und Einflussna­hme seitens der Betriebe bei ihrer Arbeit zu spüren. Auch die Nähe zwischen Kontrolleu­r und Kontrollie­rtem sei ein Problem, heißt es. Vorstände des Vereins „Tierärzte für verantwort­bare Landwirtsc­haft“schlagen daher vor, Veterinäre im Rotationsv­erfahren einzusetze­n. Das Veterinära­mt Ostallgäu erklärt, dass dies nicht nötig sei. In Bayern gelte bereits seit 2007 die Vorschrift, Kontrolleu­re alle fünf, spätestens sieben Jahre zu versetzen. Die durch den Verein erhobenen Vorwürfe seien nicht nachvollzi­ehbar. »Kommentar auf der ersten Bayern-Seite

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Foto: Matthias Becker Tierschütz­er hatten vor rund einem Monat Videoaufna­hmen aus einem Bad Grönenbach­er Milchviehb­etrieb veröffentl­icht, auf denen Tiere schwer misshandel­t wurden.

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