Neu-Ulmer Zeitung

Der „Stern“leuchtet jetzt in München

- VON CHRISTA SIGG

Schenkung Die Bayerische Staatsbibl­iothek hat sich das analoge Fotoarchiv des Magazins gesichert

München Yasir Arafat ohne Kopftuch und Willy Brandt im Doppelripp-Hemd beim Rasieren, Mädels in verboten kurzen Röcken oder russische Soldaten 1993 beim Abzug aus Brandenbur­g. Und natürlich: Romy Schneider mit Zigarette und Weinglas, wie sie ausgelasse­n in die Kamera von Robert Lebeck lacht, 1981 in Quiberon in der Bretagne. Die Verfilmung dieses irren DreiTage-Interviews mit Marie Bäumer hat vor gut einem Jahr Furore gemacht. Die originalen Fotos waren im zu sehen – wie auch alle anderen Zeitzeugni­sse. Über 15 Millionen Bilder sind zwischen 1948 und 2001 für das Hamburger Magazin aufgenomme­n worden, und dieses exzeptione­lle analoge Archiv ist nun in München gelandet.

An der Bayerische­n Staatsbibl­iothek (BSB) hat man nicht lange gefackelt, als sich der Verlag Gruner + Jahr von seinen Schätzen trennen wollte. „Uns war sofort klar, dass es hier um nichts weniger als das visuelle Gedächtnis der Bundesrepu­blik und genauso die Bilder der internatio­nalen Nachkriegs­geschichte geht“, sagt Klaus Ceynowa. Für den Stabi-Generaldir­ektor kam grundsätzl­ich nur eine Schenkung infrage. Die Hamburger hatten zunächst noch mit einer Dauerleihg­abe geliebäuge­lt, doch das Know-how der weltweit renommiert­en bayerische­n „Gedächtnis-Institutio­n“konnte schnell überzeugen. Die Süddeutsch­e zitierte die Stern-Chefredakt­ion mit den Worten, in Hamburg hätte keine Institutio­n mit den Möglichkei­ten der BSB mithalten können.

Die BSB kommt bei dieser Übernahme übrigens ohne zusätzlich­es Personal aus, das Archiv ist in einem guten, geordneten Zustand. Und es müssen auch keine neuen Räumlichke­iten angemietet werden. Die Rede ist von immerhin 1400 Regalmeter­n Leitz-Ordner und über 2300 Umzugskart­ons mit Abzügen und Dias. „Wir können intern ein bisschen umstruktur­ieren und setzen Prioritäte­n“, erläutert Ceynowa die Situation am Haus, „diese Fotografie ist schließlic­h eine Jahrhunder­terwerbung“.

Zudem hat die Stabi bereits eine große Sammlung mit rund 2,5 Millionen Fotografie­n, darunter bekannte Porträts oder die Archive, etwa des Architekte­n Tino Walz, des Journalist­en Georg Fruhstorfe­r, der Kulturchro­nistin Felicitas Timpe und auch die Sammlung des einflussre­ichen Hitler-Fotografen Heinrich Hoffmann. Und nein, mit den vermeintli­chen Hitler-Tagebücher­n wolle man nichts zu tun haben, betont Ceynowa gleich von sich aus, um abwegigen Spekulatio­nen zuvorzukom­men. „Es gibt bei dieser Sache auch keinen Pferdefuß“, erklärt der BSB-Chef. „Wir haben uns verpflicht­et, mit dem

so umzugehen wie mit unseren eigenen Beständen und sie bis in alle Ewigkeit zu pflegen – und je nach den finanziell­en Möglichkei­ten zu digitalisi­eren.“Auch die Mehrzahl der Fotografen sehe es positiv, dass ihr Lebenswerk auf Dauer bewahrt würde. Mit den meisten hätte man bereits die Nutzungsre­chte geklärt, der Erlös von Vermarktun­gen würde fifty-fifty geteilt. Und die Honorare seien im üblichen Rahmen, also auch für kleine Verlage und Interessen­ten zu stemmen.

Vorgestell­t wird das

2022 in einer großen Schau. Spätestens. „Denkbar wäre auch die Präsentati­on einzelner Fotografen oder Themen in mehreren Etappen“, sagt Ceynowa. „Denn egal, wonach Sie suchen, Sie finden hier zu allem etwas.“

 ?? Fotos: © Bayerische Staatsbibl­iothek/Bildarchiv ?? Stern-Stunden der Fotografie: Jürgen Gebhardt nimmt 1981 Franz Josef Strauß und seine Familie beim Frankreich-Urlaub auf sowie 1974 Rudi Dutschke am Grab von Holger Meins; 1978 fotografie­rt Cornelius Meffert eine vor dem Herrgottsw­inkel betende Südtiroler Bauernfami­lie; Peter Thomann porträtier­t Paul Breitner als Fußball-Weltmeiste­r 1974 (von oben links im Uhrzeigers­inn). AUS DEM NACHLASS VON MAX BROD
Fotos: © Bayerische Staatsbibl­iothek/Bildarchiv Stern-Stunden der Fotografie: Jürgen Gebhardt nimmt 1981 Franz Josef Strauß und seine Familie beim Frankreich-Urlaub auf sowie 1974 Rudi Dutschke am Grab von Holger Meins; 1978 fotografie­rt Cornelius Meffert eine vor dem Herrgottsw­inkel betende Südtiroler Bauernfami­lie; Peter Thomann porträtier­t Paul Breitner als Fußball-Weltmeiste­r 1974 (von oben links im Uhrzeigers­inn). AUS DEM NACHLASS VON MAX BROD
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