Der Klimawandel macht unser Essen teurer
Expertenbericht Erderwärmung könnte die Versorgung mit Lebensmitteln beeinträchtigen
Genf/Berlin Der Weltklimarat schlägt Alarm: Das Expertengremium warnt in einem Sonderbericht mit eindrücklichen Worten, dass die Erderwärmung immer mehr die Versorgung der Weltbevölkerung mit Lebensmitteln gefährdet. Grund sind die zunehmenden Wetterextreme: Dürren, Hitzewellen, Sandstürme, heftige Niederschläge und die Erosion von Böden verschlechtern und zerstören landwirtschaftliche Nutzflächen – und lassen so die weltweiten Ernteerträge schrumpfen. Schon jetzt sind 820 Millionen Menschen unterernährt. Ihre Zahl steigt nach UN-Daten seit einigen Jahren wieder.
Der indische Umweltwissenschaftler Priyadarshi Shukla, CoVorsitzender einer der Arbeitsgruppen des Expertengremiums der UN, sagte dieser Zeitung, dass sich die Verbraucher auf steigende Preise, eine sinkende Qualität und Störungen in den Lieferketten einstellen müssen. „Und gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung weiter“, unterstrich Shukla. Hinzu kommt: Ein ganzes Drittel der produzierten Nahrung geht verloren oder wird weggeschmissen.
Der Druck wird besonders drastisch in armen Ländern in Afrika, Asien, der Karibik und Lateinamerika zu spüren sein, hielt der Rat fest. Den Angaben nach leben bereits 500 Millionen Menschen in Regionen, in denen sich Wüsten ausbreiten. Die Fachleute warnten vor einem Teufelskreis. Die Erderwärmung beeinträchtige die Anbaumöglichkeiten auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen und lasse die Produktivität sinken. Dadurch würden auch die Fähigkeiten der Oberflächen und Gewächse eingeschränkt, das klimaschädliche CO2 zu absorbieren. „Natürliche Bodenprozesse absorbieren nahezu ein Drittel der Emissionen von Kohlendioxid“, unterstrich der britische Energieexperte Jim Skea, ein CoVorsitzender einer der Arbeitsgruppen.
Gleichzeitig verlangen die Fachleute eine radikale Wende in der Landwirtschaft. Denn der Agrarsektor, die Forstwirtschaft und andere Formen der Bodennutzung in ihrer bisherigen Form sind laut dem Bericht für den Ausstoß fast eines Viertels der klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich. Eine nachhaltige und an ökologischen Kriterien orientierte Anbauweise müsse zum Durchbruch kommen. Einen Aufruf, den Fleischkonsum aus umweltschädlicher Massentierhaltung einzuschränken oder gar einzustellen, wollte der Klimarat allerdings nicht machen. „Der Weltklimarat gibt keine Empfehlungen zur Ernährungsweise der Menschen“, unterstrich Skea.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) setzt auf mehr Ökolandbau in Deutschland. Sie verhehlte nicht, dass sie keine zu hunderten und tausenden zusammengepferchten Schweine und Rinder mehr will, nur damit Fleisch möglichst billig ist. „Man sieht, dass das Wirtschaftssystem, das wir in der Landwirtschaft nutzen, an Grenzen kommt“, sagte Schulze. In die für eine Sozialdemokratin heikle Diskussion um höhere Steuern auf Fleisch will sie nicht einsteigen. „Damit alleine ist es nicht getan, die Aufgabenstellung ist deutlich komplexer“, sagte die Ministerin. Sie will erreichen, dass der Anteil ökologischer Landwirtschaft in den nächsten Jahren auf 20 Prozent gesteigert wird. Doch als Umweltministerin hat sie keinen direkten Zugriff auf den Bereich. Das ist der Beritt von Julia Klöckner von der CDU. Und so schließt die von Schulze gewünschte CO2-Steuer die Landwirtschaft ausdrücklich nicht mit ein. Sie wäre aber das effektivste Instrument, um Fleisch teurer zu machen. Klöckner kündigte stattdessen für dieses Jahr eine neue „Ackerbaustrategie“an. »Leitartikel